Computerspiele:Die Politik schlägt zurück

Hauptsache "Killerspiel": Die neue Bundesregierung möchte laut Koalitionsvertrag gewaltverherrlichende Kulturgüter verbieten. Die Computerszene ist nicht begeistert. Von Jürgen Schmieder

In diesen Tagen finden in Singapur die Weltmeisterschaften im Computerspiel "Counterstrike" statt. Nach Meinung von CDU und SPD handelt es sich bei den Teilnehmern des Wettbewerbs jedoch um eine Versammlung potenzieller Attentäter und Selbstmörder. Unter dem Stichpunkt "Aufwachsen ohne Gewalt" findet sich im Koalitionsvertrag der neuen Regierung die Forderung, so genannte "Killerspiele" generell zu verbieten - am besten sofort.

Die Vereinbarung beschränkt sich nicht auf Computerspiele, sondern zielt auf den gesamten Kulturbetrieb. Die Koalitionäre möchten vor allem der Kindesmisshandlung ein Ende bereiten. Der Weg dazu heißt: "Den wachsenden Gefährdungen junger Menschen auf dem Mediensektor wirksam entgegenzutreten." Damit sind auch Kino und Musik betroffen. Die Altersgrenze für Spielfilme soll neu diskutiert, die Standards beim Videoverleih sollen überprüft werden. Bereits seit Monaten werden Texte von Rappern kritisiert. Musiker wie Sido besingen die Vergewaltigung von Minderjährigen - zu hart für jugendliche Ohren. Von Zensur ist mal die Rede, mal nur von profanem Verbot. Im Mittelpunkt stehen aber vor allem die "Killerspiele".

Die Rede ist von "Killerspielen"

Allein der Begriff, den der bayerische Innenminister Günther Beckstein 1999 geprägt hat, macht die undifferenzierte Meinung der Politiker über Ego-Shooter deutlich. Computerspiele sollen verantwortlich sein für Amokläufe an Schulen und im Zusammenspiel mit den üblichen Verdächtigen, Comics und Popmusik, das Verführungspotenzial einer terroristischen Vereinigung besitzen. Deshalb ist im Koalitionsvertrag auch nicht von der "Simulation realitätsnaher Tötungshandlungen" die Rede, sondern schlicht von "Killerspielen".

Das sehen die Anhänger von "Counterstrike" anders. "Als Spieler unterstützen wir den verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Medien und eine Richtlinie, bei der Eltern unterstützt werden", sagt Christian Chmiel, einer der Teilnehmer, die gerade um den WM-Titel kämpfen. "Wir bitten darum, dass sich Eltern und Politiker intensiv mit der Materie auseinander setzen und die Medienkompetenz fördern." Organisator Thomas von Treichel kritisiert vor allem die Wortwahl: "Der reißerische wie fachlich unübliche Begriff ,Killerspiele' zeugt nicht von einem tiefen Verständnis."

Die Politiker untermauern ihre These mit kürzlich erschienenen Studien: Die Universität Berlin fand heraus, dass exzessives Computerspielen im Gehirn die gleichen Strukturen aktiviert wie stoffliche Drogen. Langzeitspieler könnten also auch physisch abhängig werden.

Wissenschaftler der Michigan State University kommen zu dem Ergebnis, dass zwischen virtueller und tatsächlicher Gewalt ein kurzzeitiger Kausalzusammenhang bestehen könnte. "Videospiele sind kritisiert worden, weil sie aggressive Reaktionen und aggressives Benehmen steigern", sagte Projektleiter René Weber bei der Präsentation. "Wir haben gezeigt, dass dieser Zusammenhang auf einer neurobiologischen Ebene existiert."

Studien wie diese stärken den Wunsch nach einem generellen Verbot, aber auch Beispiele jugendlicher Amokläufer werden als Begründung herangezogen. Im April 2002 tötete Robert Steinhäuser an einer Schule in Erfurt 16 Menschen. Es wurde weniger die Erziehung, das soziale Umfeld oder eine psychische Erkrankung des Täters diskutiert als vielmehr seine kulturellen Vorlieben. Er sah gerne Filme, hörte Rap- und Rockmusik und hatte auch noch Comics in seinem Regal stehen. Auf der Festplatte seines Computers fand man Ego-Shooter wie "Counterstrike".

Eine Verbindung wurde schnell hergestellt, Steinhäuser sei negativ beeinflusst worden durch Musik, Filme und Computerspiele. Die Folgerung daraus war so banal wie beliebig: Die "Killerspiele" waren schuld. Dabei wird der kausale Zusammenhang von Computerspielen und Gewaltbereitschaft unter Experten kontrovers diskutiert. Den beiden angeführten Studien stehen Forschungsergebnisse gegenüber, die eine Verbindung verneinen. Vielmehr verweisen Medienwissenschaftler wie Jo Groebel auf positive Faktoren: "Es gibt Spiele, die strategisches Denken, Reaktions- und Kommunikationsfähigkeit schulen."

Über die Ästhetik von Ego-Shootern muss man freilich nicht diskutieren. Die viszerale Gewalt, die Unmengen an Blut, das stilisierte Sterben der Protagonisten sind nicht jedermanns Sache. Die narrative Struktur vieler Spiele beschränkt sich tatsächlich auf das tumbe Abschlachten von Gegnern, einzelne Spiele belohnen einen gekonnten Mord mit der Aufwertung des Waffenarsenals. Ähnlich verhält es sich auch bei Filmen wie "Sin City", wo das Töten zur Tugend verklärt wird - ebenso wie in den Texten der Rockgruppe Bodycount.

Auch Fußball verbieten?

Doch darum sollte es in der Diskussion um das Verbot kultureller Güter für Jugendliche nicht gehen. Vielmehr muss die Frage lauten: Sind kulturelle Güter wie Filme, Musik und Computerspiele tatsächlich verantwortlich für Gewalt? So lange ein Zusammenhang nicht eindeutig erwiesen ist, sollte Vorsicht geboten sein. Denn sonst müsste man auch das Fußballspielen verbieten. Eine andere Studie besagte nämlich schon vor Jahren, dass Hobbyfußballer nach einem Spiel besonders aggressiv seien.

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