Comic & Karikatur:Psychologie heute

Comic & Karikatur: Abbildung aus "Streit um Asterix".

Abbildung aus "Streit um Asterix".

(Foto: Egmont Ehapa Media GmbH/©Les Editions Albert René/Uderzo-Goscinny)

Viele meinten, in Uderzos Charakterköpfen prominente Zeitgenossen wieder zu erkennen. Ihm ging es aber um zeitlose Typisierungen.

Von Johan Schloemann

Das Bild zeigt Tullius Destructivus. Das ist ein herrlich unsympathischer Intrigant, der überall, wohin er kommt, Streit und Missgunst verbreitet. Die Sprechblasen der anderen färben sich dann immer giftgrün ein, und die Leute behandeln sich gegenseitig wie in den Kommentarspalten bei Focus Online.

In dem Heft "Streit um Asterix" (1970, deutsch 1973) wird dieser Destructivus von Julius Cäsar als Geheimwaffe eingesetzt. Er soll sich gegen die renitenten Gallier an "der ersten Offensive im psychologischen Krieg" versuchen, so beschreibt er selber seine Methoden. Im französischen Original heißt er Detritus, was sich mit "Spezialist für Zersetzung" übersetzen ließe. Seine Gesichtszüge haben die Zeitgenossen in Frankreich an den kommunistischen Politiker Georges Marchais erinnert. Aber diese Anspielung blieb unter Asterix-Spezialisten umstritten und wurde von seinem Schöpfer Albert Uderzo nie bestätigt.

Diese Unsicherheit sollte eine Warnung sein, davor nämlich, im Allgemeinmenschlichen der Asterix-Figuren immer auch etwas historisch oder aktuell Satirisches entdecken zu wollen. Sicher, Uderzo hat sich als Zeichner regelmäßig den Spaß gemacht, Prominente nachzuempfinden, besonders in Nebenfiguren. In dem römischen Wirtschaftsberater Technokratus in "Obelix GmbH & Co. KG" (1976/78) konnte man den damaligen Premierminister Jacques Chirac erkennen, und ein gewisser Pontius Penatus, der in "Die Odyssee" (1981/82) seine Hände in Unschuld wäscht, ruft die biblische Passionsgeschichte auf, sieht aber zugleich genau so aus wie der Schauspieler Jean Gabin.

Mit diesen Wiedererkennungseffekten reiht sich Uderzo in die Tradition der französischen Karikatur ein, die Groteske, Überzeichnung und Spott zur Meisterschaft gebracht hatte. Das begann mit frühen Könnern wie dem Kupferstecher Jacques Callot, der zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges allerlei skurrile Zeitgenossen beobachtete, Täter wie Opfer, so wie später William Hogarth in England die Sitten seiner Zeit aufspießte; und es fand seinen Höhepunkt in der politischen Karikatur im Frankreich des 19. Jahrhunderts, mit Künstlern wie Grandville und Honoré Daumier - eine Tradition gnadenloser Satire, die bis zu Charlie Hebdo reicht.

Aber die Jagd nach Anspielungen kann den Blick auf Uderzos Zeichenkunst auch verstellen. Nur mit dem Begriff der Karikatur ist sie nicht zu fassen, sie gehört in die allgemeine Geschichte des Porträts, genauer: des Charakterkopfs. Nicht nur bei Uderzos Römern sieht man das - den Römern, die diese Kunst in der Antike entwickelt haben, mit ihren Ahnen-, Familien- und Kaiserporträts: wie man knorrige oder heitere Gestalten scharf individuell zeichnet, ohne sie zur Maske erstarren zu lassen. Selbst bei den gallischen Figuren schafft Uderzo es noch, den sehr engen Spielraum, die ihm die vorgegebenen Schnurrbärte und Knollennasen lassen, zu nutzen - so dass etwa der Dorfhäuptling Majestix mal stolz und herrisch, mal verdutzt und ratlos dreinschauen kann. Innerhalb des Rahmens, die das Genre der Bilderzählung setzt, sind Uderzos Geschöpfe mehr als Karikaturen: Sie bleiben beweglich und doch immer sie selbst.

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