Comic:Der Look der frühen Jahre

Comic: Zu Wasser, zu Lande oder in der Luft – Micky weiß sich immer zu helfen: Unser Bild zeigt ihn unterwegs mit Ross und Dampfross im Wilden Westen.

Zu Wasser, zu Lande oder in der Luft – Micky weiß sich immer zu helfen: Unser Bild zeigt ihn unterwegs mit Ross und Dampfross im Wilden Westen.

(Foto: © 2018 Disney)

Der Verleger Jacques Glénat hat französische Comic-Autoren gebeten, das Disney-Universum zu veredeln. Herausgekommen sind kleine Kunstwerke wie Tébos "Die jungen Jahre von Micky".

Von Christoph Haas

Früher war es meistens so: Texter und Zeichner widmeten sich Comic-Figuren, die aus demselben Land oder zumindest einer ähnlichen Comic-Kultur stammten wie sie selbst. Inzwischen aber ist die Globalisierung auch auf diesem Markt bemerkbar. Der italienische Zeichner Enrico Marini hat mit "Der dunkle Prinz" gerade eine viel beachtete Batman-Graphic Novel vorgelegt. Im Juni erscheint "Spirou in Berlin", geschrieben und gezeichnet von Flix; zum ersten Mal ist der ewig junge Mann in der Pagenuniform damit in den Händen eines Künstlers, der nicht aus dem französischsprachigen Raum stammt. Genau dort wiederum ist Tébo - bürgerlich: Frédéric Thébault - zu Hause, der für "Die jungen Jahre von Micky" verantwortlich ist.

Präsentiert wird hier ein alt und faltig gewordener Mäuserich, der eine klobige Brille und einen langen Spitzbart trägt. Mit einem dicken Schal um den Hals sitzt er in einem Sessel und erzählt seinem frechen kleinen Urgroßneffen, was für tolle Sachen er in seiner Jugend erlebt hat. Im Wilden Westen war Micky in einer verlassenen Mine auf Goldsuche; in den Sümpfen des Bayou kämpfte er mit einem Krokodil und im Weltraum mit einem Tentakelmonster; während der finsteren Zeit der Schokoladen-Prohibition stellte er den köstlichen, verbotenen Stoff heimlich in einem Keller her. Mit dabei natürlich immer: Mickys Erzfeind, der böse Kater Carlo.

"Die jungen Jahre von Micky" ist kein Einzelfall. Das Album gehört zu einer von dem Verleger Jacques Glénat initiierten Sonderreihe, in der Künstler der französischen Comic-Szene sich den Disney-Kosmos nach ihrem Gusto aneignen. Drei weitere Geschichten liegen auf Deutsch vor. In "Die geheimnisvolle Melodie" von Cosey arbeitet Micky als Drehbuchautor in Hollywood und begegnet zum ersten Mal Minnie. Wenig später, zur Zeit der Großen Depression, spielt "Café Zombo" von Loisel; hier sind Micky und Goofy vergeblich auf der Suche nach Arbeit. "Mickey's Craziest Adventures" (Text: Lewis Trondheim, Zeichnungen: Nicolas Keramidas) schließlich gibt vor, der Nachdruck einer superraren Heftserie der Sechziger zu sein. Von den üblichen europäischen Disney-Produktionen aus Italien, Holland und Skandinavien unterscheiden sich diese Comics deutlich. Sie sind keine Massenware, sondern Einzelpublikationen, die auf das Prestige bekannter Autoren und Zeichner setzen.

Außerdem haben sie einen stark nostalgischen Einschlag. "Café Zombo" etwa schaut den Micky Maus-Abenteuern, die Floyd Gottfredson in den Dreißigern zeichnete, fast zum Verwechseln ähnlich. Tébo setzt im Vergleich dazu weniger auf die Retro-Karte. Allerdings erscheint auch sein Micky, der nur eine kurze Hose und kein Oberteil trägt, ganz im Look der frühen Jahre, und die Orientierung an den Zeichentrickfilmen, mit denen die Maus ab 1928 zunächst berühmt wurde, ist unübersehbar.

Tébos Micky erlebt Abenteuer im perfekt inszenierten Slapstick-Stil. Es wird viel gerannt und gesprungen, geflogen und gestürzt; gerne macht es auch "Booom". Wie sonst Daniel Düsentrieb erfindet Micky hier allerlei fantastische Geräte, darunter Zeitmaschinen und ein Auto, das Wände herauffahren kann. Was er erzählt, klingt so fantastisch, dass sein kindlicher Zuhörer ihm nicht alles glauben will, aber wie bei Käpt'n Blaubär gibt es am Ende mehrfach einen Hinweis, dass Micky nicht geschwindelt hat. Die farbenfrohen, flächigen Panels sind überwiegend kleinformatig; jedoch enthält jede der fünf Geschichten mindestens ein spektakuläres, doppelseitiges Splash Panel, das mitunter mehrere Handlungsmomente in sich vereint.

"Die jungen Jahre von Micky" ist - wie die anderen genannten Titel - ein Kinder-Comic für Erwachsene. Die Aufmachung ist nahezu bibliophil, der Preis hoch. Mit der Micky Maus-Historie etwas vertraut zu sein, erhöht das Vergnügen an der Lektüre. Eine unabdingbare Voraussetzung ist dies aber nicht. Eltern können den Band also unauffällig in der Wohnung liegen lassen - in der Hoffnung, dass ihr Nachwuchs für anderthalb Stunden Handy oder Tablet vergisst.

Tébo (Text und Zeichnungen): Die jungen Jahre von Micky. Aus dem Französischen von Uli Pröfrock. Egmont Comic Collection, Berlin 2017. 80 Seiten, 29 Euro.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: