Club-Szene:Feiern mit Anleitung

Club-Szene: Wahn und Wirklichkeit: ein Audio-Trip durch die Rote Sonne.

Wahn und Wirklichkeit: ein Audio-Trip durch die Rote Sonne.

(Foto: Hannes Rohrer)

Ein Techno-Hörspiel führt durch den Club "Rote Sonne"

Von Sarah Bioly

Club und Theater verschmelzen bei dem Projekt "Der Imperativ des Feierns". Der Zuschauer wird dabei auf einen Audio-Trip durch den Club "Rote Sonne" geschickt. Durch die "Schmutzschleuse" gelangt der Besucher in das Jahr 2101: Die Welt des Genusses und des Rausches geht zugrunde, jeder Aktivität wird ein Nutzen zugeschrieben. Die künstliche Intelligenz R.S. will die Teilnehmer wieder zum Genuss verführen. Dazu schickt sie den Besucher per Audioguide auf eine museale Erkundungstour durch den Club. Technomusik von DJ Bostro Pesopeo dröhnt aus den Kopfhörern, während R.S. die Anweisungen erteilt: Relikte wie Bar, DJ-Pult und Tanzfläche müssen in ihren Funktionen entschlüsselt und wieder aktiviert werden. Aber manchmal kommt es bei R.S. zu Störungen. Dann steht der Zuschauer vor der Frage, wie es weitergehen soll.

Gearbeitet wird mit binauralen Tonaufnahmen, die ein realistisches Raum-Klang-Bild erzeugen: eine Art virtuelle Realität auf akustischer Ebene. So ist zum Beispiel das Öffnen eines Kühlschranks zu hören, ohne dass dies tatsächlich geschieht. Dadurch wird die Wahrnehmung des Zuschauers auf die Probe gestellt. Echter und fiktionaler Raum verschwimmen, so dass der Besucher sich in zwei parallel existierenden Clubs wiederfindet: der "Roten Sonne" und dem seltsam verlassenen Techno-Club aus einer Vergangenheit. Das Setting besteht aus Minidiscs, die sich der Besucher an mehreren Stationen abholen kann. Dazwischen kann er sich frei bewegen, an die Bar oder zum Rauchen gehen. Wie lange jemand auf Erkundungstour ist, ist daher unterschiedlich. Erst am Ende treffen viele noch an der Bar für ein Bier oder in der Herrentoilette für ein Käsefondue zusammen. Eine Besucherin schreibt: "Ich habe mich wie nach einer durchtanzten Nacht gefühlt, dabei war es erst 21.00 Uhr". Wenn die Teilnehmer mit diesem Gefühl aus dem Club gehen, hat das Theaterkollektiv "What you see is what you get" sein Ziel erreicht: Das Nutzlose, der Exzess und der Genuss wurden neu erfahren.

Die drei Organisatoren Julia Müller, Antonia Beermann und Felix Kruis von "Der Imperativ des Feierns" sind selbst leidenschaftliche Clubgänger. Als Aufgabe sehen sie es, Theaterneulinge und Tanzverweigerer zusammenzubringen. Julia Müller ist überrascht, wie gut ihr Hörspiel für beide Gruppen funktioniert. "Einen Wermutstropfen gibt es aber", sagt sie: "Unser Schluss funktioniert nicht so wie gedacht." Die Teilnehmer sollen selbst wieder die Kontrolle über den Club und die Situation übernehmen, die meisten schaffen das aber nicht alleine. Müllers Fazit: höchste Zeit für ein Projekt des Feierns. Sonst landen wir am Ende vielleicht doch in einer rein nützlichen Zukunft.

Techno-Hörspiel, Club Rote Sonne, Mo.-Do., 16.-19. Jan., Einlass 18.30-21 Uhr, Maximilianspl. 5

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