Claus Peymann als Juror:Der Dieter Bohlen des Theaters

Theater-Basher vom Dienst: Claus Peymann wurde schon lange nicht mehr zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Diesmal war alles anders.

Christine Dössel

Claus Peymann, Maulheld und Intendant des Berliner Ensembles, früher Burgtheater, wurde schon seit Ewigkeiten nicht mehr zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Das wurmt den einstmaligen Großregisseur sehr, weshalb er nie eine Gelegenheit auslässt, gegen diese Best-of-Schau des deutschsprachigen Theaters zu wettern ("Minderheitenprogramm gelangweilter Überdrusskasperl"); einmal hat er auch schon ein "Gegentheatertreffen" organisiert.

Claus Peymann als Juror: Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles.

Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles.

(Foto: Foto: dpa)

In diesem Jahr aber war alles anders. Zwar wurde wieder keine Peymann-Arbeit nominiert und auch sonst keine Inszenierung von seinem Theatermuseum am Schiffbauerdamm, dafür wurde der BE-Intendant in persona eingeladen - und zwar dezidiert als Advocatus Diaboli und Theater-Basher vom Dienst. Denn was sollte man schon anderes von ihm erwarten als eine Rabaukennummer? Aber es ging hier um einen "Preiskampf" im Fernsehen, da braucht es einen Dieter Bohlen. Als solcher saß Peymann am Samstag in jener Boxring-Runde, die zum Abschluss des Theatertreffens live, vor laufender Kamera den 3sat-Theaterpreisträger ermitteln sollte (http://make.tv/preiskampf).

Es war eine selten peinsame Veranstaltung, aus der Peymann mit wehender Macho-Fahne insofern als Sieger hervorging, als er seine Mitjuroren, vor allem die beiden "Damen", spielend über den Tisch zog und niemand seiner selbstherrlichen Großmäuligkeit etwas entgegenzuhalten wusste. So hat Peymann das Theatertreffen doch noch erobert: Indem er es schamlos für seine eigene Ego-Show nutzte und es in seinen Entscheidungsfindungsprozessen en passant auch noch düpierte.

Der mit 10 000 Euro dotierte 3sat-Preis für eine "besonders herausragende künstlerische Leistung" im Rahmen des Theatertreffens wird seit 13 Jahren verliehen. Bisher war es so, dass sich eine kleine Jury unter Beteiligung von Wolfgang Bergmann, dem Leiter des ZDF-Theaterkanals, hinter den Kulissen auf einen Preisträger einigte, in der Regel auf einen Regisseur für dessen "richtungsweisende, künstlerisch-innovative Leistung". Das geht auch breitenwirksamer und glamouröser, haben sich die Festspiel- und Fernsehmacher in diesem Jahr gedacht, die Literatur kann es ja auch, siehe Klagenfurt. Also wurde der "Preiskampf" als Live-Diskussion vor laufender Kamera erfunden: Vier Juroren kommen mit je einem Vorschlag und müssen sich binnen sechzig Minuten in mehreren, durch Glockenschläge beschränkten Rederunden auf einen Preisträger einigen. Falls keine Einigung zustande kommt - wonach es bis kurz vor Schluss aussah -, verfällt der Preis.

Lächerliche Boxring-Szene

Mal abgesehen davon, dass die Boxring-Szenerie einigermaßen lächerlich und wenig hilfreich war, krankte die Konstruktion schon an der schwachsinnigen Regelung, dass der Moderator, der Münchner Theaterprofessor und Publizist C. Bernd Sucher, selber auch ein Stimmrecht hatte - eine ungute Verquickung, die er dreist auszunutzen wusste, etwa mit seiner vorab erklärten Rundumweigerung, den Preis an einen Regisseur zu vergeben. Die Kritikerin Eva Behrendt, Mitglied der Theatertreffen-Jury, hatte als einzige einen Regisseur nominiert: Christoph Schlingensief für seine "Kirche der Angst". Sie blieb jedoch kämpferische Argumente schuldig, so dass sich sogar Sucher für Schlingensief in die Bresche warf, um ihn vor Peymanns Anfeindungen ("lustiger Clown", der seine Kranken und Halbdebilen mit Bier abfülle) in Schutz zu nehmen.

Mit seinem eigenen Preis-Vorschlag (die Schauspielerin Annette Paulmann, eine der acht K.-Klone aus Kafkas "Prozess") konnte sich Sucher dann zwar genauso wenig durchsetzen wie die vornehm-höfliche Autorin Jenny Erpenbeck mit dem ihren (sie hatte die Schauspielerin Marion Breckwoldt als Marquis de Sade in Volker Löschs "Marat"-Version nominiert). Aber auf Schlingensief, auf den es nun mehrheitlich - gegen den Polterer Peymann - hätte hinauslaufen können, denn auch Erpenbeck wollte nun für ihn stimmen, nein, auf Schlingensief wollte sich Sucher wegen seines "Keine Regisseure!"-Verdikts dann doch nicht einlassen. Weshalb der "Moderator" den Zuspruch in letzter Minute leichterhand dem mit ihm munter kokettierenden ("Ich halte Sie für einen Jüngling!") Showkönig Peymann erteilte. Während die Frauen, die schon gar keine Rolle mehr spielten, dumm, aber keineswegs protestierend aus der Wäsche schauten ob solch eines Platzhirsch-Gebarens.

Beuys? Habe ich gut gekannt

Peymann hatte die drei Schauspieler aus Karl Schönherrs "Weibsteufel" in der Regie von Martin Kušej nominiert: "an erster Stelle" Werner Wölbern, dann den tollen Nicolas Ofczarek, den er dereinst höchstselbst ans Wiener Burgtheater engagiert habe, und dazu "die Frau", gemeint ist Birgit Minichmayr: "Menschen, die Menschen darstellen, Menschen, die Theater erzählen." Das sei eine Kunst, die verlorengehe - nun ja, außer natürlich am BE, das Peymann an keiner Stelle als Chefideologe in eigener Sache zu rühmen vergaß, so wie er ohnehin alles auf sich selbst bezog. Beuys? Hat er "ganz gut gekannt". Annette Paulmann? "Wollte ich selber schon oft engagieren." Marion Breckwoldt? "Die soll die Medea spielen", aber doch bitteschön keine Männerrolle, "der Marquis de Sade ist eine der faszinierendsten Erfindungen meines alten Freundes Peter Weiss".

Von Peymann lernen, heißt siegen lernen - auf Kosten von Seriosität und Manieren.

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