"Cinema for Peace"-Gala:Gähnen für den Weltfrieden

Leonardo DiCaprio lässt sich bei "Cinema for Peace" für sein Umweltengagement feiern und gibt sich als der wahre Held des Berliner Mauerfalls zu erkennen.

Christian Mayer

Ein Star ist auch nur ein Mensch, sogar Leonardo DiCaprio kann seine berufsbedingte Müdigkeit nicht immer hinter einem Celebrity-Gesicht verbergen. Aber es gibt einen Moment auf der Gala "Cinema for Peace", da ist der 34-Jährige hellwach, ein Stern, der alles überstrahlt. Er steht jetzt allein auf der Bühne im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt, vor seinen Füßen warten 600Gäste in Abendgarderobe, die viel Geld bezahlt haben; sie warten auf Erleuchtung, schließlich geht es ja um eine große Sache, um den Weltfrieden und ein wenig Glamour zum Dessert.

"Cinema for Peace"-Gala: Rief zur Verteidigung des Planeten auf: Leonardo DiCaprio bei der "Cinema for Peace"-Gala in Berlin.

Rief zur Verteidigung des Planeten auf: Leonardo DiCaprio bei der "Cinema for Peace"-Gala in Berlin.

(Foto: Foto: rtr)

Und was macht der Abgesandte aus Hollywood, der für seinen Einsatz gegen die globale Umweltzerstörung geehrt wird? Er spricht von der "grünen Revolution", er lobt Präsident Obama, er ruft auf zur Verteidigung des Planeten. Hinter seinem Kopf steigt eine weiße Taube vor blauem Hintergrund auf. Der Gipfel der Inszenierung ist erreicht, als Leonardo DiCaprio ein Foto von sich aus dem Jahr 1988 zeigt. Little Leo lehnt sich gegen die Berliner Mauer, ein Lieblingsbild der deutschen Mutter, weil "es aussieht, als hätte ich die Mauer eigenhändig weggeschoben". Was für ein Bild da vorne auf der Großleinwand: der 14-jährige Leo als Wegbereiter der deutschen Einheit. Spätestens jetzt hat er das Publikum erobert. Germany sei seine "zweite Heimat", sagt DiCaprio sehr ernsthaft, und man ist gewillt, ihm jetzt alles zu glauben, schließlich sitzt seine Mama Irmelin unten am Ehrentisch.

"Cinema for Peace", das ist schon eine sehr bizarre Veranstaltung: Weltstars treffen auf Berliner Neureiche, Bundesminister kungeln mit altgedienten Rockstars, anerkannte Regisseure wie Gus Van Sant konkurrieren auf dem roten Teppich mit heimischen Fernsehprodukten wie Alexandra Neldel und den Klitschkos. Mit der Berlinale hat der Abend offiziell gar nichts zu tun, wie Direktor Dieter Kosslick stets betont. Und dennoch steht die Gala bei vielen als wichtigster Termin des Festivals im Kalender: Nur hier kann man mit dem richtigen Investment ganz in der Nähe von Weltweisen wie Paulo Coelho oder Ben Kingsley dinieren.

Im Jubiläumsjahr des Mauerfalls dürfen Michail Gorbatschow - der Laudator für Leonardo DiCaprio - und Hans-Dietrich Genscher ebenfalls nicht fehlen. Wenn der ehemalige deutsche Außenminister seinem "alten und guten Freund" aus Moskau für seine Rolle bei der Beendigung des Kalten Krieges dankt, ist ihm der Beifall wie immer sicher. Neben Gorbatschow erinnert auch Pink-Floyd-Sänger Roger Waters an trübe Mauerzeiten. Sein Song "The Wall" wird noch einmal angespielt und angemessen bejubelt, was denn sonst; auch der Widerstandskämpfer Tom Cruise geht nicht ganz leer aus, obwohl er gar nicht leibhaftig anwesend ist: Der Film "Operation Walküre" erhält den Inspirationspreis dieser Friedensgala. Damit sind dann wirklich alle erst mal bedient.

Im Saal hinten wird irgendwann mehr gequatscht als geklatscht. Mitinitiator Bob Geldof muss das wohltätige Volk energisch zur Ordnung rufen ("Haltet die Klappe!"). Nach einem Reigen voller Preise und Reden weiß man gegen Mitternacht nicht mehr so richtig, wer nun den besten Glamour-Auftritt hatte. Die konservativ aufgemachte Schauspielerin Diane Kruger? Die immer etwas überdrehte Fernsehköchin Sarah Wiener? Die divenhafte Catherine Deneuve in ihrem Pelzgewand? Oder vielleicht doch die als silberne Meerjungfrau verkleidete Jenny Elvers-Elbertzhagen? Alles falsch: Sandy Meyer-Wölden, bekannt geworden als boulevardeske Ich-Designerin, strahlt noch blonder und greller. Aber für eine gute Sache sind schließlich alle Mittel recht.

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