Christian Thielemann:Ade München, auf zur Wunderharfe

Erschütterung in der Klassikwelt: Star-Dirigent Christian Thielemann verlässt die Münchener Philharmoniker und schließt einen Vorvertrag mit Dresden.

R. J. Brembeck

Der Dirigent Christian Thielemann verlässt München und deren Philharmoniker. Denn er hat gerade eine neue künstlerische Heimat in Dresden gefunden. Dort, bei der Staatskapelle, bei Richard Wagners "Wunderharfe", wird er von 2012 an für vorerst sieben Jahre arbeiten, als Opern- und Konzertdirigent. Seit Juli haben Dresdens designierte Opernintendantin Ulrike Hessler und der Dirigent diesen Plan verhandelt, am vergangenen Freitag wurde ein entsprechender Vorvertrag unterschrieben.

Nicht nur in München wird diese Nachricht die Klassikwelt erschüttern. Zwar waren im Juli die Verhandlungen über eine Verlängerung von Thielemanns Vertrag bei den Philharmonikern über 2011 hinaus gescheitert. Doch hatte der Dirigent seither immer wieder erklärt, partout in München bleiben zu wollen. Dass er dabei gleichzeitig mit Dresden verhandelte und dass er nun gegen seine Einlassungen einen Schlussstrich unter sein Münchner Engagement zieht - das werden nicht nur die Philharmoniker als Verrat empfinden.

An wütenden Schuldzuweisungen wird es nicht mangeln. Aber mit kühlem Kopf betrachtet, ist dieses Finale das Beste, was München, Dresden und Thielemann passieren konnte. Denn in München war das Vertrauensverhältnis zwischen Orchester und Chefdirigent vergiftet, seit die Musiker ihrem als Dirigent geliebten Thielemann die Gestaltungshoheit in Sachen Gastdirigenten entziehen wollten und ein entsprechender Passus auch in den neuen Vertrag aufgenommen wurde. Dass sich Thielemann einen solchen Eingriff in seine Rechte nicht bieten lassen wollte, ist verständlich.

Dass die Musiker überhaupt auf solch eine Idee verfielen, zeigt aber, wie sehr sie ihren Chef in diesen Belangen als Belastung empfinden. Dieser Konflikt hätte nur durch ein Einlenken Thielemanns aus der Welt geschafft werden können. Aber der Dirigent, von dem der Spruch "Wo Chef draufsteht, ist auch Chef drin" kolportiert wird, war dazu nicht bereit.

Endlich nur Opern

Nun also sind die Fronten endgültig geklärt. Unklar ist nun einerseits, ob Thielemann die nächsten zwei Jahre in München noch dirigiert, oder ob er nun vorzeitig aus seinem Vertrag aussteigt. Andererseits gewinnen die Philharmoniker jetzt Zeit, um in Ruhe einen Nachfolger zu suchen, dem sie den Gastdirigentenparagraphen dann natürlich nicht in den Vertrag schreiben werden. Aber leicht wird diese Suche keineswegs.

Für Thielemann allerdings ist Dresden ein Idealfall. Nicht nur, weil der große Wagner-Dirigent nun an Wagners Wirkungsstätte angekommen ist. Sondern auch, weil er nun endlich wieder auch Opern mit einem eigenen Orchester dirigieren kann. Das hat er in letzter Zeit nach eigenem Bekunden vermisst. Und er ist eben nach wie vor ein Operndirigent. Wer möchte es bestreiten: So gut, wie er in Bayreuth die "Meistersinger" dirigierte - es war Thielemanns größte Tat -, so gut war er als Konzertdirigent nie. Und Dresden bietet ihm ein deutsches Traditionsorchester, das in Oper und Konzert zu Hause ist. Zudem liegt die Stadt günstig zwischen Thielemanns Heimat Berlin und Bayreuth.

Eine noch größere Gewinnerin aber ist die künftige Opernintendantin Ulrike Hessler: Nachdem gerade der leicht glücklose Fabio Luisi sein Dresdner Ende signalisiert hat, konnte ihr nichts Besseres passieren, als Thielemann für ihre Sache zu gewinnen. Sicher wird die Zusammenarbeit nicht einfach, davon wissen alle Thielemann-Weggefährten ein Lied in Moll zu singen. Aber Ulrike Hessler, lange Zeit Presse- und Marketingchefin der Bayrischen Staatsoper, ist eine Frau, die sich durch einen Thielemann garantiert nicht einschüchtern lässt.

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