China:Die US-Wahl hilft der kommunistischen Propaganda

China gears up to mark 95th anniversary of CPC

Früher beobachteten viele Chinesen neidisch den demokratischen Wahlprozess in den USA, heute hat es die Kommunistische Partei wieder leichter.

(Foto: AP)

Chinas Staatspräsident Xi kann sein Glück kaum fassen. Das autoritäre Regime seiner Partei hat es so leicht wie nie zuvor. Schuld sind Clinton und Trump.

Von Kai Strittmatter

Neuer deutscher Exportschlager für den chinesischen Markt gesucht? Wie wär's mit dem anderswo schon beliebten deutschen Wort "Schadenfreude"? Nichts beschreibt die Stimmung in den oberen Rängen der Kommunistischen Partei im Moment wohl besser. Wer auch immer am Dienstag die Wahl in den USA gewinnt, einen selbsterklärten Sieger haben wir jetzt schon: Chinas KP.

Chinas Propaganda kann ihr Glück ob des Trump-Clinton-Spektakels kaum fassen. Die KP erklärt seit Jahrzehnten jede Wahl in den USA zur betrügerischen Show, die Demokratie nur vorgaukle, während China mit seiner Ein-Parteien-Herrschaft gut bedient sei.

Aber in diesem Jahr, da sich auch in westlichen Partnerdemokratien das Publikum angewidert abwendet vom Trump'schen Treiben, wo das Entertainment die Substanz und die Lüge die Wahrheit ersetzen, wo der Kandidat selbst in alle Mikrofone brüllt, dass das System nur Lug und Trug sei im Dienste einer korrupten, manipulativen Elite in Washington - da schreibt sich die Propaganda von selbst.

Eine Fazination, wie bei einem Gruselfilm

Da können Chinas Staatsmedien sogar Krokodilstränen vergießen, da darf die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua klagen, wie "traurig" es sei, dass "das amerikanische System nicht funktioniert", da titelt das Parteiblatt: "Enttäuschend, deprimierend, unehrlich". Die Volkszeitung schreibt von "Chaos", von einem "Witz", davon, dass "Amerikas Demokratie unter Buhrufen in den Morast gefallen ist".

Oft kann man nicht einmal widersprechen. Früher war amerikanischer Wahlkampf für das fasziniert zusehende Publikum in vielen autoritären Ländern im besten Falle eine Werbung für die Demokratie, für den Wettstreit der Ideen. Oder zumindest für die für viele unvorstellbare Tatsache, dass der eigene Wille einfließen kann in die Entscheidung über die Zukunft des Landes. Diesmal ist das anders, diesmal ist die Faszination des Publikums auch in China eher eine, die einen beim Ansehen eines Gruselfilms überkommt.

Reihenweise werden von der Partei nun Chinas Amerika-Experten aufgeboten, die "das Versagen der amerikanischen Demokratie" konstatieren, wie das im September Zhang Zhixin, der Amerika-Chef am Chinesischen Institut für Internationale Beziehungen, in einem Essay schrieb. Selbst wenn Trump verliere, so Zhang, habe er schon jetzt die politischen Fundamente des Landes "unwiderruflich geschädigt".

Der Wettstreit der Systeme ist zurück - dank Trump

Die Volkszeitung hatte besondere Freude dabei, das Ende des politischen Moralpredigers USA zu verkünden, der der Welt sein System jahrzehntelang als überlegen angepriesen hatte: "Zeit, dass dieser 'Demokratie-Missionar' sein übertriebenes Selbstwertgefühl und seine Arroganz ablegt".

Auf dem Mikro-Blogging-Dienst Weibo liest man Zehntausende solcher Kommentare (von denen allerdings keiner weiß, wie viel davon KP-Auftragsarbeiten sind): "Wenn die US-Wahlen eines beweisen, dann das: Chinas Einparteien-Herrschaft ist gut fürs Land."

Der Wettstreit der Systeme, den man eigentlich nach dem Ende des Kalten Krieges tot gewähnt hatte, er ist wieder da. Das liegt vor allem an China, und nicht zuletzt am starken Mann Xi Jinping, der in seiner Partei wieder ein Gefühl der Dringlichkeit entfacht hat dafür, dass man sich in einem Krieg der Ideologien befinde.

"Wir wissen nicht mal, wie ein Stimmzettel aussieht."

Zufall ist es wohl keiner, dass er dem American Dream seinen "Chinesischen Traum" entgegensetzt. Es ist auch kein Zufall, dass dieser sich anders als sein amerikanischer Widerpart nicht am Glücksstreben des Einzelnen ergötzt, sondern an der Stärke der Nation, dass er als Hauptsäule auf den Nationalismus setzt, der mehr und mehr geschürt wird.

Den Nationalismus hatte die Partei als Kitt ihrer Herrschaft in großem Stil wiederentdeckt nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens 1989. Wohl in keinem Jahr war in China die Sehnsucht nach einem Wandel und die Bewunderung für die Demokratie so groß wie während der Proteste von 1989. Später lieferte die KP zusätzlich zur Vision der Wiedergeburt eines starken Chinas noch den materiellen Wohlstand für eine neue Mittelschicht und machte so ihre eigene Herrschaft für viele Chinesen zumindest tolerabel.

Dass der Glanz der Demokratie verblasste, lag aber auch am Scheitern demokratischer Experimente anderswo, zuerst im post-sowjetischen Russland, und nicht zuletzt am oft fatalen Wirken der USA selbst. Der desaströse Irakkrieg, später das Verblühen des vom Westen bejubelten Arabischen Frühlings, das alles wurde in China genau beobachtet.

Xi hat seinen Gegner tatsächlich ins Gefängnis geworfen

Denn hier findet wegen der unruhigen eigenen Geschichte die Furcht vor Chaos und Instabilität noch größere Resonanz als anderswo. Die KP nutzt das und predigt "Chinas Besonderheit", die hier Dinge möglich mache, die man eigentlich für unmöglich hielt.

Die Vermählung kapitalistischer Wohlstandsvermehrung mit leninistischem Einparteien- und Polizeistaat zum Beispiel. China will sein Bruttoinlandsprodukt allein von 2010 bis 2020 verdoppeln. Erfahrungen wie die globale Finanzkrise von 2008, durch die China weitgehend unbeschadet steuerte, oder die neuerdings in vielen Ländern wieder aufkeimende Sehnsucht nach starken Führern waren in den letzten Jahren gefundenes Futter für Pekings Propaganda.

Aber die schier endlose Wahlschlammschlacht in den USA ist schon ein besonderes Himmelsgeschenk. "Die Wähler kriegen den Tiefpunkt nie zu sehen", freut sich Xinhua, "weil es immer noch tiefer geht."

Beileibe nicht alle in China plappern die offizielle Linie nach. "Die Amerikaner haben immerhin eine Wahl", sagt ein Pekinger Marketingmanager. "Wir wissen nicht mal, wie ein Stimmzettel aussieht." Gerade die Angehörigen der Mittelschicht sind oft gut informiert und wissen, dass ihr Land an Skandalen und Problemen wohl noch reicher ist als die USA. "Bei uns wird aber alles totgeschwiegen." Trump drohte, seine Rivalin nach Amtsantritt ins Gefängnis werfen zu lassen? Xi Jinping hat das mit seinem Gegner Bo Xilai getan.

Wie ein Eunuch, der sich über das Sexleben anderer lustig macht

Chinas Bürger sind Pragmatiker, keine Ideologen. Wenn das System in Sachen Einkommen, Bildung, Gesundheit, Umweltschutz und Lebensmittelsicherheit liefert, dann sind die meisten bereit, dafür einiges an Ungerechtigkeit zu schlucken, was sie anderswo nicht schlucken müssten. Aber die Erwartungen sind gewachsen, und die Frage ist, wie lange das System sie noch bedienen kann.

Parteichef Xi strahlt erstaunliches Selbstvertrauen aus. Und doch scheint gleichzeitig die Partei unter ihm geplagt von Furcht und Paranoia. So erstickt er Experimente und Debatten, die vor Kurzem noch möglich waren, lässt auch milde Kritiker zum Schweigen bringen und treibt einige der Besten und Klügsten ins Ausland oder ins Gefängnis.

Man darf an der Wetterfestigkeit eines solchen Systems zweifeln. In den mittlerweile scharf zensierten sozialen Medien Chinas flüchten sich viele liberale Kommentatoren in Sarkasmus. Zur Häme der Parteipropaganda über Amerikas Wahlkampf bemerkte diese Woche ein Weibo-Nutzer, hier urteile "eine Gruppe Eunuchen über das nicht perfekte Geschlechtsleben anderer".

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