China: Expo 2010:Wer hat die größte?

Nationalstaaten, die wie eitle Pfauen Räder schlagen und sich gegenseitig in ihrer Modernität übertrumpfen wollen: Weltausstellungen sind eine völlig überholte Idee.

Henrik Bork

Weltausstellungen sind eine im Alter des Internets und des Massentourismus völlig überholte Idee. Es ist längst nicht mehr nötig, den Bewohnern einer Stadt exotische Ausstellungsstücke aus aller Herren Länder vor ihre Haustür zu stellen. Nationalstaaten, die wie eitle Pfauen Räder schlagen und sich in der Exposition ihrer Modernität zu übertrumpfen versuchen - dieses Prinzip ist heute so verstaubt wie ein stillgelegter Paternoster im Pariser Eiffelturm.

Expo 2010

Die größte Ausstellung, den größten Pavillon: Ausgerechnet China lässt die bereits verblasste Idee einer Weltausstellung noch einmal so richtig aufleben.

(Foto: Foto: AP)

Chance der politischen Selbstdarstellung

Doch nun lässt ausgerechnet China diese bereits verblasste Idee noch einmal so richtig aufleben. Nicht etwa irgendwo in der Provinz beginnt an diesem Samstag die neue Expo. Und nicht etwa auf einer grünen Wiese vor der Stadt, wie damals in Paris. Vielmehr hat Shanghai, Chinas menschenreichste und modernste Metropole, ein mehr als tausend Fußballfelder großes Areal mitten in seinem Zentrum dafür freigeräumt.

Chinas kommunistische Führer haben die Expo so rückhaltlos umarmt und Shanghai mit so vielen Milliarden Yuan renoviert, weil sie eine neue Chance der politischen Selbstdarstellung witterten. Nirgendwo lässt sich der wirtschaftliche Aufschwung der Volksrepublik besser zelebrieren als unter jener Brücke am Huangpu-Fluss, von der aus Chinas Reformer Deng Xiaoping kurz vor seinem Tod einen Startschuss für die jüngste Aufholjagd Chinas gegenüber dem Westen gab.

Bombastische Olympiade

Folgerichtig feiert sich Chinas Regierung im größten aller Pavillons auf dem Expo-Gelände vor allem selbst. Die Idee des Nationalstaats, um deren Überwindung anderswo längst gerungen wird, wird hier freudig weitergetragen. Der Kommunismus hat auch in China seine Kraft als Leitidee längst eingebüßt. Nun versuchen Chinas rote Mandarine, ihre Legitimation durch Massenveranstaltungen zu zementieren, die den Patriotismus anheizen. Mit einer bombastischen Olympiade; mit einer riesigen Militärparade auf dem Platz des Himmlischen Friedens; und jetzt eben mit der "größten Expo aller Zeiten".

Man mag den Chinesen diese stolze Inszenierung ihres Wiederaufstiegs nach den Jahren kolonialer Schmach und dem Hunger der Mao-Zeit durchaus gönnen. Gleichzeitig aber verrät der wie schon bei der Olympiade zur Schau gestellte Gigantismus eine große Unsicherheit. Hier soll von Problemen wie der anderswo in China noch grassierenden Armut, der massiven Umweltzerstörung durch ein sämtliche Ressourcen überstrapazierendes Wirtschaftsmodell und der unappetitlichen Repression des chinesischen Polizeistaates abgelenkt werden. Hier wird ein Scheinbild erzeugt.

Chinas Größenwahn

Wirklich erfolgreiche, entwickelte Nationen können auf solch einen Kraftakt verzichten. Sie können ihre Expos in zweitrangige Städte wie Hannover oder Aichi verbannen, und genau auf diesen Snobismus dürfen sie stolz sein. In diesem Sinne darf Südkorea gratuliert werden, dass seine Weltausstellung im Jahr 2012 in dem bislang nicht gerade bekannten Yeosu abhalten wird.

Ähnlich wie nach den Olympischen Spielen, wo inzwischen das Vogelnest und andere Vorzeigebauten ungenutzt vor sich hingammeln, so wird wohl auch in Shanghai nach sechs Monaten nicht viel von dem Spektakel übrig sein. Neue Flughafenterminals, U-Bahnen-Linien und Stadtautobahnen sind zwar hilfreich für die Stadt. Man hätte sie aber auch bauen können, ohne skurrile Pavillons zu errichten, in denen nun vorübergehend Fotos der Lorelei (Deutschland), Swatch-Uhren (Schweiz) oder Nationalflaggen (Nordkorea) zu bestaunen sein werden.

China demonstriert mit seinem Größenwahn erneut alles andere als echte Modernität. Nachhaltige Stadtplanung, in deren Zentrum der Mensch steht, sieht anders aus. In Shanghai klopft sich indes eine politische Elite selbstverliebt auf die Schultern, deren Gesellschaftsmodell genauso verstaubt ist wie die Idee der Weltausstellung.

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