China: Ausstellung "Kunst der Aufklärung":Die mit dem Drachen tanzen

"Man kann in China arbeiten, wenn man sich an Spielregeln hält": Anlässlich der umstrittenen Ausstellung "Kunst der Aufklärung" berichten Kuratoren über ihre Erfahrungen mit der chinesischen Kunstzensur.

Catrin Lorch

Kulturaustausch mit China, seine Probleme werden heftig diskutiert anlässlich der Ausstellung "Kunst der Aufklärung" in Peking. Es ist nicht das erste Projekt mit China, die SZ befragte Kuratoren nach früheren Erfahrungen.

Solidarität mit Ai Weiwei

Straßenkunst für den Künstler: Die Solidarität mit Ai Weiwei ist auch in der deutschen Hauptstadt zu erkennen. Das Bild des inhaftierten chinesischen Regimekritikers klebt an einer Wand in Berlin.

(Foto: dpa)

Gregor Jansen, Direktor Kunsthalle Düsseldorf

Unser Ideal von Menschenrechten und Freiheit in der Kunst gilt in China nicht. Dennoch haben Künstler in China Möglichkeiten Stellung zu beziehen. In den neunziger Jahren gab es die Ausreisewelle der Dissidenten, die haben sich die Kunst als Freiraum gesucht, meist Performance oder Body Art. Ich liebe China, habe dort vier Monate gelebt. Jenseits aller Medienklischees kann man dort viel entdecken - extrem gute, diplomatische Dolmetscher sind hilfreich.

Kuratieren ist dort anders:. Es gibt keine Verträge - aber man kann sich auf das Wort verlassen. Man kann in China arbeiten, wenn man sich an Spielregeln hält: Themen vermeiden wie Tibet, Pornografie, rüde Staatskritik. Eine Zensur von Ausländern findet nur in Ausnahmefällen statt, während Chinesen - wie im Internet - extrem mit staatlicher Kontrolle zu tun haben. (Gregor Jansen kuratierte 2005 die Ausstellung "Beijing Case" in Peking, die auch in Deutschland gezeigt wurde.)

Kaspar König, Museum Ludwig, Köln

Die Kuratoren des Projekts "Aufklärung" haben sich von ihrer eigenen Bedeutung einwickeln lassen. In Sachen China sind wir Kulturmenschen wirklich erstaunlich naiv: Wir sind doch keine Geldverdiener, wir holen ja keine Aufträge rein und wären deswegen gezwungen, Zugeständnisse zu machen. Warum zeigen wir die "Aufklärung" in so einem reaktionären Klotz wie dem Nationalmuseum! 2012 soll in Köln unter der Überschrift "Wenn der Drache tanzt" ein gemeinsames Projekt mit Kölns Partnerstadt Peking stattfinden.

Und wenn wir jetzt planen, chinesische Kunst hier in einem Haus wie dem Museum Ludwig zu präsentieren, werden wir wasserdichte Verträge machen. Wir haben auch einen amerikanischen Kurator verpflichtet, Phil Tinari, der in China lebt. Und sollten wir nicht absolut freie Wahl haben, wen wir einladen, sollten Künstler nicht ausreisen dürfen, sagen wir die ganze Sache ab, die Freiheit kann man sich ja garantieren lassen. Anders kann man zur Zeit mit China nicht zusammenarbeiten. Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie, Berlin

Ich habe bis heute keine Ausstellung kuratiert, die Künstler eines Landes zusammenführt. Mit einer Ausnahme, die man insofern als Statement lesen kann - "Humanism in China" mit mehr als 600 dokumentarischen Fotos, die ich 2006 im Frankfurter MMK zeigte. Eine Übernahme aus China, unter dem Originaltitel, auch die Inszenierung wurde beibehalten, sogar die Bildbeschriftung. Eine Ausstellung, die Themen wie Umweltsünden, die Zerstörung der Altstädte bis hin zur Todesstrafe nicht aussparte. Ich hatte diese politische Ausstellung in Schanghai gesehen, sie bot die Möglichkeit, dem deutschen Publikum die chinesische Perspektive und Aneignung des Begriffs "Humanismus" zugänglich zu machen.

Julian Heynen, Künstlerischer Leiter für besondere Aufgaben, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen

Die einen glauben, Dialog allein reiche aus, die anderen fordern politisch korrektes Verhalten: Naivität allenthalben. Ein "Wandel durch Annäherung" ist nichts wert ohne Wachsamkeit, Kritik und Schläue. Als Mitkurator der Shanghai Biennale 2008 (unter dem Titel "Translocalmotion") habe ich die allfälligen Missverständnisse, Konflikte und Aporien erlebt: klassische Zensur, inkompatible Wert- und Betriebssysteme, Widersprüche zwischen Kunst, Kommerz und Propaganda. In der Folge künstlerische Verluste, aber auch neue Erkenntnisse. Eins war schnell klar: Je mehr Staat (auf beiden Seiten!), umso schwieriger wird es.

Nicolaus Schafhausen, Direktor Witte de With, Rotterdam

Die Zusammenarbeit mit China ist ein moralischer Test für das ,aufgeklärte' globale Kunstsystem selbst. Die Ausstellung "Morality - Nether Land", die ich für das "Dutch House" auf der Expo 2010 in Shanghai für die Niederlande zu verantworten hatte, wurde nach für westliche Kuratoren absolut undurchschaubaren Spielregeln zensiert. Das ging so weit, dass aus dem Video über die polnischen Punk-Gruppe Izrael eine Szene herausgeschnitten werden musste, die einen Davidstern zeigte. Die Konsequenz aus der Verhaftung von Ai Weiwei muss endlich eine Neuausrichtung der auswärtigen Kulturpolitik zur Folge haben.

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