Charlotte Roche im Kino:Hunger auf Verführung

Wegen chronischer Aufmüpfigkeit ist Charlotte Roche inzwischen ganz aus dem Fernsehen verbannt. Jetzt darf sie in Michael Hofmanns Kinofilm "Eden" die erotische Küche entdecken.

Tobias Kniebe

Eigentlich sollte hier ein geistreicher Absatz über Essen und Erotik stehen, das Problem ist nur: Die Finger weigern sich irgendwie, das noch einmal hinzuschreiben. Die Sache ist wohl ein paar tausend Mal zu oft beschworen worden, nicht zuletzt im Zusammenhang mit Filmen, wo dann immer von Augenschmaus die Rede sein muss und von Regisseuren, die aus edlen Zutaten ein verführerisches Menü kredenzen.

charlotte rochen eden

Der Appetit kommt beim Essen: Charlotte Roche bewegt sich zwischen Tisch und Bett.

(Foto: Foto: Pandora)

Sattsam bekannt das alles. Ein Filmemacher, der dennoch so tut, als habe er all das eben erst entdeckt, muss schon ziemlich unerschrocken sein - und ein Film wie "Eden", der einen genialen Küchenchef zum Thema macht und dann gleich dazu sagt, dieser huldige einer "cucina erotica", der fordert sein Schicksal geradezu heraus.

Die junge Kellnerin Eden (Charlotte Roche) lebt mit ihrer zweijährigen Tochter und ihrem Mann (Devid Striesow) in einem behäbigen Kurort im Schwarzwald, und das Glück und Unglück ihres Lebens halten sich in etwa die Waage. Das Glück ist ihre bezaubernde Tochter, die am Down-Syndrom leidet; das Unglück ist ihr herzloser Mann, der sein falsches Lächeln für seine Seniorentanzkurse reserviert.

Dann aber tritt der Meisterkoch Gregor (Josef Ostendorf) in Edens Leben, den bisher sein gewaltiges Körpergewicht von der Welt der Frauen ferngehalten hat. Dennoch versteht er es, Eden mit seinen Gerichten zu verführen, zu bezaubern und ihr zu neuer Lebensfreude zu verhelfen. So könnte eine beinah unschuldige Dreiecksbeziehung entstehen, wäre da nicht der böse Kleinstadtgeist, der solcherlei Abweichungen von der Norm nicht dulden kann...

Beseelte Idiotie

Die Art von Sinnlichkeit, die mit dem Essen einhergeht, kann man nicht behaupten, man muss sie schmecken, riechen und spüren. Darauf will sich der Regisseur Michael Hofmann nicht ganz verlassen: Wann immer sein schwergewichtiger Koch eine seiner Kreationen auftischt, sei es nun Praline oder Stierhoden, trifft es die Essenden wie ein Schlag: Ihre Gesichtsmuskeln sacken herab, ihre ganze Körpersprache buchstabiert "Glückseligkeit". Leider sehen Schauspieler, die so etwas darstellen sollen, nicht besonders gut aus - die meisten kommen allenfalls bei einem Ausdruck beseelter Idiotie an.

Andererseits ist das auch gerade das Thema: Dass Menschen, die nicht gerade gut aussehen, dennoch oder genau deswegen zu den schönsten Ekstasen und Leidenschaften fähig sind. Ein Gedanke, der sich auch gegen die Ästhetik des Kino-Mainstreams richtet. Er manifestiert sich zum einen in der Körperfülle des Helden und seinem meist sauertöpfischen Gesichtsausdruck, zum anderen in den merkwürdigen Frisuren von Charlotte Roche und in ihrer behinderten Filmtochter, die natürlich keineswegs das ist, was die Schurken behaupten, nämlich "lebensunwertes Leben".

Damit wäre auch die Politik des Films benannt, die natürlich höchst ehrenwert ist, aber dann doch einen Nachgeschmack von Nötigung hinterlässt. "Eden" sagt den Zuschauern nicht nur, was sie zu schmecken haben - der Film liefert die Gebrauchsanweisung für das Denken gleich mit.

Dabei hätte man vor allem Charlotte Roche erhebliche Verführungskünste zugetraut, ist sie doch eine der interessantesten Frauengestalten der vergangenen Jahre. Wegen chronischer Aufmüpfigkeit ist sie inzwischen ganz aus dem Fernsehen verbannt. Die Kinorolle verlangt von ihr genau jenen Duktus kleinmädchenhafter Schwärmerei, den sie in ihren Sendungen erfolgreich eingesetzt hat - als brillantes Mittel, um Leute wie Robbie Williams oder Noel Gallagher in Sicherheit zu wiegen und dann mit Ausfällen von tödlicher Intelligenz zu überrumpeln. In "Eden" wartet man auf einen ähnlichen Effekt - aber er kommt nie. Damit lässt der Film die brillante Ironikerin Roche gewissermaßen am ausgestreckten Arm verhungern.

EDEN, D/CH 2006 - Regie, Buch: Michael Hofmann. Kamera: Jutta Pohlmann. Schnitt: Isabel Meier, Bernhard Wiesner. Musik: Christoph Kaiser, Julian Maas. Mit: Josef Ostendorf, Charlotte Roche, Devid Striesow. Pandora, 103 Minuten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: