CD-Kritik: "Slut":In der Stille liegt die Kraft

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Den Erwartungen entsprechen - für die Ingolstädter Band Slut gibt es wohl nichts Schlimmeres. So wartet das Album "All we need is silence" mit einigen verbalen Querschlägern auf. Deutscher Indierock goes International - mit Erfolg.

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Das ist schon ein bemerkenswerter Titel für eine Musik-CD und im Titeltrack geht es denn auch gleich zur Sache: "Oh all we need is silence/ a good working self defence/ no need for conversation/ none of their revelation..." Nun gut, ein kurzer Moment des Nachdenkens darüber sei erlaubt.

Anhänger der Stille - Slut sind: Rainer Schaller (Gitarrist), Chris Neuburger, Rene Arbeithuber (Keyboard), Matthias Neuburger (Schlagzeug)und Gerd Rosenacker (Bass) (v.l.n.r.). (Foto: Foto: EMI/Virgin)

Nachhilfe leistet der Presse-Text der Plattenfirma, der lieber noch einmal klarstellt, was gemeint sein soll: Bei "All we need is silence" handele es sich um ein "Manifest, ein Plädoyer gegen den medialen Overkill unserer Tage" - und somit die "Rückbesinnung auf Ruhe und Stille". Nicht mehr, nicht weniger. Gut, das wäre geklärt.

Notorische Querdenker

Diese Einstellung könnte verwundern - wenn es sich nicht um eine Slut-Platte handeln würde. Die notorischen Querdenker aus Ingolstadt präsentieren sich auch auf ihrem fünften Studio-Album sperrig und widerborstig statt zugänglich stromlinienförmig. Mit dem provokanten Titel erheben Sänger und Texter Chris Neuburger samt Band-Kollegen Rainer Schaller, Gerd Rosenacker, Matthias Neuburger und Rene Arbeithuber natürlich auch den Anspruch, dass das eigene Machwerk eben nicht in die Kategorie "überflüssige Berieselung" fällt.

Und dem ist unbedingt zuzustimmen. Zwar bieten Slut nur zehn Songs - oder 37 Minuten lang - Abwechslung vom Berieselungsalltag. Das fällt angesichts der Qualität der Songs aber kaum ins Gewicht. Der Trend zum instrumentalen "weniger ist mehr" hat sich im Vergleich zum Vorgänger "Nothing will go wrong" sogar noch verstärkt, was Stücke wie das erfrischend bass-lastige "Lost emotion", das pulsierend-pumpende "All we need is silence" oder das anklagende "Homesick" eindeutig zu Höhepunkten macht.

"Ich habe nicht das Gefühl, dass irgendetwas fehlt, obwohl wir auf vieles - Samples, Keyboard, Orgel - verzichtet haben. Die Platte ist nackt, trocken und dicht", so Christian Neuburger. Was dann schnörkellos drahtig und mitunter gar wuchtig klingt wie bei "Cosmopolite" oder einem "Weltuntergangslied" wie "Wasted". Das muss man mögen. Das ist unbedingte Voraussetzung - sonst wird es schwierig, da Slut wenig Wert darauf legen, jederman zu gefallen.

Dabei sind die Melodien und Rhythmen das eine. Spätestens bei einigen markanten Textzeilen wird klar, dass da jemand etwas loswerden möchte und sich herzlich wenig darum schert, ob andere die oftmals kryptischen Verse missverstehen könnten. Neuburger und Co. sind nämlich alles andere als "tongue-tied".

Vermittlung persönlicher Befindlichkeiten

Und wer Zeilen formuliert wie "if I had the decision I would kill all musicians" ("All we need is silence"), "let's make war instead of love" ("The beginning") oder "we are average members of an average kind/.../we waste our love on wasted matters" ("Wasted") dem steht der Sinn durchaus nach Provokation. Oder zumindest danach, die persönlichen Befindlichkeiten mehr als deutlich zu machen, wann und worüber Ärger, Wut, Enttäuschung angesagt sind.

In Zeiten medialer Überreizung setzen Neuburger und Co. ihre Menschenfeindlichkeit derart zwingend musikalisch um und verpacken sie so kunstvoll - da bleibt wenig Gegenwehr.

Am Ende des Booklets steht ein schlichtes "Thank you very much". Für was auch immer und an wen auch immer gerichtet. Tun wir einfach mal so: Aber bitte, gleichfalls besten Dank.

Slut, "All we need is silence" (EMI/Virgin); Tracks: 1. The Beginning, 2. Lost emotion, 3. Neverending, 4. Staggered and torn, 5. All we need is silence, 6. Wasted, 7. Why pourquoi (I think I love you), 8. Homesick, 9. Cosmopolite, 10. Get lost get lost.

Tourdaten: 11.10.2004 Stuttgart, Schocken 12.10.2004 Köln, Gebäude 9 13.10.2004 Berlin, Maria am Ostbahnhof 14.10.2004 Hamburg, Grünspan 15.10.2004 Dresden, Star Club 16.10.2004 Hannover, Faust 17.10.2004 Frankfurt, Café Royal 23.10.2004 München, Backstage 2.11.2004 Ingolstadt, Städtisches Theater

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