CD-Kritik: Patti Scialfa:Über uns. Gott sieht´s. Dort oben.

Elf Jahre nach ihrem Debüt-Album hat Patti Scialfa, Mitglied der E-Street-Band und Gattin vom Boss, ihre zweite CD "23rd Street Lullaby" veröffentlicht. Eine Art Tagebuch. Doch liebevoll geschmirgelter Inhalt ist nicht alles. Der Ton macht die Musik. Auch hier. Aber er überzeugt nicht.

Von Sabine Liebscher

Der Wind säuselt. Ein Feuerchen knistert. Marlboro-Männer schlürfen Kafffee aus Alcatraz-bechern. Und über allem, da pfunkeln die Sterne.

CD-Kritik: Patti Scialfa: Born to be child?

Born to be child?

(Foto: Foto: sonymusic)

SIE schmiegt ihren Kopf an SEINE Schulter. Beide starren wortlos ins Feuer. Sooo verliebt und traut. Träumen. Aus dem Off dudelt pflichtschuldig und leise die Musik. Irgendeine Musik. Zum Beispiel die von Patti Scialfa. Oder eine andere. Lagerfeuermusik. Pfingstlagermusik eben.

Patti Scialfas Musik klingt sauber - und einfach. Das ist gewollt so. Wenn man ganz genau hinhört, dann gibt´s aber auch was zu erlauschen.

Dann ist zu verstehen, was Scialfa will: "Es ist eine Art Reise, die in der Jugend beginnt. Du gehst von Zuhause weg, du verlässt deine Umgebung, in der du auf eine bestimmte Art wahrgenommen wirst. Du gehst in eine größere Stadt und erkundest sie. Du entdeckst dich selbst, erfindest dich neu. Das ist der Bogen, den die Songs in diesem Album spannen."

Aha.

Musikalische Memoiren, also. Überwindung der Pubertät. Die ersten eigenen Schritte, sowas.

Jeder Song offenbart folglich einen anderen wechselbalg-haften Charakter. Verliebt, verträumt, rebellisch, verbissen, auch realistisch. Und in jedem steckt ein Stück Scialfa. Und irgendwie ein Traum.

Doch die Tiefgründigkeit ihrer Texte wird durch die Melodie nicht getragen. Die nämlich plätschert so trübselig dahin wie der Rinnsal-Fußball der deutschen Nationalmannschaft.

In wenigen Momenten berührt Scialfas Stimme. Momente, in denen man sich fallen lassen will. Doch schon wenige Takte später ist der Zauber auch schon wieder vorbei. Es fehlt genau die beschworene Sehnsucht, die einem das Herz brechen möchte. Es fehlt dann auch die Stimmkraft, die zu beeindrucken vermöchte.

Und darum geht man schnell des Wunsches verlustig, die CD immer wieder hören zu wollen. Sie ist nett, ja doch, wirklich nett. Christian Wörns ist auch richtig nett.

Doch im Grunde verstauben solche Platten schon zur Genüge im Regal. Wie die Erinnerungen an schlechte Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft.

Patti Scialfa: "23rd Street Lullaby" (columbiarecords/ 2004)

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