CD-Edition Pavarotti:Kühne Kehlkopfkunst

Tenor Luciano Pavarotti und Sopranistin Mirella Freni

Tenor Luciano Pavarotti und die Sopranistin Mirella Freni - beide stammen aus kleinen Verhältnissen und wurden als Kinder von derselben Amme betreut.

(Foto: Decca)

Insbesondere im italienischen Opernfach findet man keinen besseren als den großen schwergewichtigen Mann mit dem freundlichen Gesicht: Luciano Pavarotti war einer von drei Jahrhunderttenören. Wie viele Superlative ihm gerecht werden, kann man nun auf einer 27-CD-Edition nachhören.

Von Helmut Mauró

Sprach man vom Jahrhunderttenor, meinte man: Caruso! Hört man den verrauschten Nachklang seiner alles überstrahlenden Stimme, kann man nur sagen: Jawohl, ein Jahrhunderttenor, allerdings mit einem Bein im 19. Jahrhundert. Dann folgte das trotz zweier Weltkriege musikalisch auch recht fruchtbare 20. Jahrhundert und gebar neue Tenöre, Heldentenöre, lyrische Tenöre, Jahrhunderttenöre. Fritz Wunderlich vor allem und einen seiner größten Bewunderer: Luciano Pavarotti.

Wunderlich lebte nicht lange genug, um jene Popularität und Präsenz zu erreichen, die Pavarotti unter den großen Dirigenten und großen Sängerkollegen erreichen konnte, und so wird man insbesondere im italienischen Opernfach keinen besseren finden als den großen schwergewichtigen Mann mit dem freundlichen Gesicht und dieser immer etwas kühn anmutenden, leichthin hochvirtuosen, hochmusikalischen Kehlkopfkunst. Pavarotti sah in Wunderlich den Besten und wurde selber zum größten Tenor des 20. Jahrhunderts.

Team-Spirit von damals ist heute weitgehend verloren

Es ist gefährlich, mit so vielen Superlativen um sich zu werfen, aber es macht auch Spaß, wenn sie von der Sache gedeckt sind. Wie sehr sie das im Falle Pavarottis sind, kann man nun in aller Ausführlichkeit in einer wunderbar aufgemachten 27-CD-Edition (Decca) nachprüfen. Die letzten drei CDs sind Arien-Auskopplungen, die übrigen Opern-Gesamtaufnahmen des italienischen Belcanto: Opern von Gaetano Donizetti, Vincenzo Bellini, Giuseppe Verdi, Giacomo Puccini. Ein Opernfest, eine Ansammlung von Referenzaufnahmen, dass man nur staunen kann, in welch inspirierter Perfektion und mit welcher Liebe zum musikalischen Detail man noch in den späten Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts große Opern-Studioproduktionen veranstalten konnte.

Natürlich investierten die Plattenfirmen damals noch mehr Geld in klassische Musikaufnahmen, verdienten auch noch mehr daran als heute, aber das dürfte nicht der einzige Grund dafür sein, dass dieser unbändige Wille zu künstlerischer Vollkommenheit, auch der in diesem Zusammenhang - trotz aller damals noch gängigen Dirigententyrannei - spürbare Team-Spirit heute weitgehend verloren ist. So sehr man also über die enormen stimmlichen Fähigkeiten Pavarottis staunt, über seine unmittelbare Präsenz, die sich auch in den Tonaufnahmen vermittelt, so sehr ist man gefangen vom Gesamteindruck der Opernaufnahmen, die für sich genommen schon eine starke und beinahe auratische Wirkungsmacht entfalten.

Bemerkenswertes Star-Umfeld

Warum gibt es diese Art von Opernkunst nicht mehr, warum hat sich dieses hohe Niveau nicht halten können? Es lag ganz sicher nicht nur an Geldmitteln und Produktionsbedingungen. Die waren zu Beginn der Sechzigerjahre, als Pavarotti seine ersten Opern für die Decca einsang, nicht unbedingt besser als heute. Ganz offenbar sind es einzelne Sängerpersönlichkeiten, die solch ein Opernkunstwerk erst zu ganzer Pracht erblühen lassen.

Der einzigartige Pavarotti stand dabei in einem bemerkenswerten Star-Umfeld, Joan Sutherland, Mirella Freni, Christa Ludwig und andere bewegen sich ebenfalls auf dem Höhepunkt ihres Könnens, und Dirigenten wie Herbert von Karajan oder der weniger bekannte australische und in London agierende Dirigent Richard Bonynge lassen noch jene integrative Kraft spüren, die alle auf einen Punkt zwang, die aus jedem Beteiligten das Maximum herausholte. Teil zwei der Pavarotti-Edition erscheint erst 2015.

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