Cars: Neues von Pixar:Bremsspuren der Geschichte

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Willkommen in der wunderlichen Parallelwelt von "Cars" - dem neuen Pixar-Meisterstück von John Lasseter.

Fritz Göttler

Das Kino ist wie eine Rennbahn, könnte man das berühmte Wort eines großen Filmemachers abwandeln: Liebe, Hass, Gewalt, Action, Tod ... Mit einem Wort - Emotion. Auch John Lasseter, der Chef und spiritus rector des Animationswunderstudios Pixar, dreht und produziert nach diesem Motto, die "Toy Storys" und die "Monsters Inc.", "Finding Nemo" und die "Invincibles", und nun das wunderbare Roadmovie "Cars".

Rennwagen Lighting McQueen (rechts) mit dem rostigen Abschleppwagen Hook. (Foto: Foto: ap)

Der Held dieses Films ist ein Flitzer, ein rasender Nascar-Gigolo, attraktiv und aggressiv, und von seiner Unwiderstehlichkeit restlos überzeugt. Lightning McQueen heißt der Jungspund, kein Rennfahrer, sondern ein roter Rennwagen - denn "Cars" spielt in einer wunderlichen Parallelwelt, in der nur Autos aller Nationalitäten und Marken leben, die durch die Gegend kurven und lieben und leiden, und mit all den Sorgen und Situationen konfrontiert werden, die wir aus unserem Menschendasein so gut kennen.

Der junge Lightning, im Original gesprochen von Luke Wilson, ist voll auf der Siegerstraße, und er genießt den Medienhype, der um hin herum loszischt - Zuschauerränge voller fanatisierter Kleinwagen und -wäginnen, dazu der Pulk der Reporter, der sich um ihn schart. Ein Rennen in L.A. soll nun die Entscheidung bringen, und im Schoß seines Transporters Mack lässt sich Lightning gleich in der Nacht zum Event in der fernen Stadt schaukeln. Unterwegs geht er dann allerdings verloren, im wahrsten Sinne, er rutscht versehentlich auf die Straße und kommt im Dunkel der Nacht vom Highway ab - landet in dem Kaff Radiator Springs. Weil er dort mutwillig die Straße ramponiert, wird er vom Richter verdonnert, das gute Stück neu zu asphaltieren. Hier, an der legendären Route 66, ist nichts als Vergangenheit. Seit die große Interstate-Überlandstraße durchs Land schneidet, verirren sich nur wenige in die Stadt, und ihre Bewohner - der grüne Hippie-VW-Bus Bully, der Militärjeep Sarge, der Fiat Luigi, der davon träumt, dass einmal ein Ferrari sich hierher verirren möge, oder die Sally mit der reizenden Tätowierung - sind zum Provinzlerdasein verdonnert, in der Welt der fünfziger Jahre. 1960 hatte ein anderer großer amerikanischer Film die grausamen Effekte der neuen Interstates dokumentiert: auch das Bates-Motel in Hitchcocks "Psycho" ist eines ihrer Opfer geworden.

Es ist ein Zeitsprung, den Lightning macht, und er zeigt, deutlicher als all die Filme zuvor, was das Kino des John Lasseter bewegt - die Sehnsucht nach einem Amerika, das heute verloren ist, überhaupt nicht mehr zugänglich, weil die nötige Sensibilität, die Denk- und Erfahrungsweisen, die man dafür braucht, nicht mehr vorhanden sind. Eine andere Wahrnehmung, ein anderes Zeitgefühl.

Mit jedem neuen Film legen die Pixar-Leute die Computertrick-Latte höher - wir haben die Computer ganz schön in die Knie gezwungen, so viel Speicherplatz brauchten wir für jede der Einstellungen, erinnert sich John Lasseter lakonisch -, aber die Filme sind nicht mehr auf die Verblüffung der Zuschauer aus. Es ist ein unglaublicher emotionaler Reichtum, der "Cars" auszeichnet, der weit über die Vermenschlichung der Tiere hinausgeht, wie man sie von Disney kennt. Die Autos kokettieren und grimassieren, sie sind eitel und schnippisch und aufdringlich, schüchtern und verletzlich - und das hat nichts Sentimentales und Anbiederndes, bewahrt eine coole, harte Oberfläche. Erstaunlicher als die Detailgenauigkeit ist in diesem Film jene sanfte Dunstigkeit in den Totalen, in den Canyons des Südwestens - eine Ahnung von Vergänglichkeit, ein Geist der Geschichte, wie man ihn aus den Western kennt.

CARS, USA 2006 - Regie: John Lasseter, Joe Ranft. Buch: Dan Fogelman, John Lasseter, Joe Ranft, Kiel Murray, Phil Lorin, Jorgen Klubien. Produktionsdesign: William Cone, Bob Pauley. Stimmen: Owen Wilson, Paul Newman, Bonnie Hunt. Deutsche Stimmen: Daniel Brühl, Rick Kavanian, Michael Schumacher. Buena Vista, 116 Minuten.

© SZ vom 07.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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