Cannes 2004:Die fetten Jahre kommen

Trotz Streikandrohung: Das Filmfestival startet wieder, und ein deutscher Film ist auch dabei. Von Fritz Göttler

Es wird wirklich spannend in diesem Jahr auf dem Internationalen Filmfestival von Cannes. Bis zur letzten Minute müssen Festivalleitung, Politiker und Gewerkschaftler sich um eine Lösung bemühen für ein Problem, das die französische Kulturwelt seit einem Jahr beschäftigt - die so genannten Intermittents, die Zeitarbeiter, ohne die keines der vielen Festivals des Landes auskommt, und ihre soziale Absicherung.

Im vorigen Jahr war durch ihren Streik das renommierte Theaterfestival von Avignon geplatzt. Und seit einigen Wochen wird immer wieder orakelt, ein ähnliches Geschick könne auch Cannes blühen, falls man sich nicht endlich einigen könnte.

Man hat ein wenig abgespeckt

"KO Cannes" ist die drohende Devise, angesichts derer die betroffenen Minister sich dann doch kompromissbereit gaben. Die französischen Filmemacher haben sich sowieso bereits nachdrücklich mit den Arbeitern solidarisiert: "Wenn es die Intermittents nicht gäbe, gäbe es unsere Filme nicht."

Und Cannes wird ein weiteres Mal, in seinem 57. Jahr, beweisen, dass es das spektakulärste Filmfest der Welt ist. Man hat ein wenig abgespeckt, nur 18 Filme sind für den Wettbewerb um die Goldene Palme nominiert, davon drei aus Frankreich, von Agnès Jaoui, Olivier Assayas und Tony Gatlif.

Somit scheint die glanzvolle Eröffnung am heutigen Mittwochabend mit dem Film "La Mala Educacion (Die schlechte Erziehung)" von Pedro Almodovar gesichert zu sein.

Die fetten Jahre kommen

Im vergangenen Jahr war die Enttäuschung groß gewesen nach einem eher schwachen Wettbewerb, und der künstlerische Leiter Thierry Frémaux hat sich die Kritik zu Herzen genommen und versucht eine Mischung aus großen Namen und jungen Newcomern.

Joel und Ethan Coen sind mit dem Remake von "The Ladykillers" dabei und Emir Kusturica mit "Das Leben ist ein Wunder", Walter Salles mit dem Che-Jugend-Film "Diarios de Motocicleta" - und Wong Kar-wai, der endlich seinen lang erwarteten neuen Film "2046" präsentiert.

Erfrischend subversiv

Nicht ganz überraschend - aber seit Jahren herbeigesehnt - ist die Teilnahme eines deutschen Films am Wettbewerb, zum ersten Mal seit elf Jahren. Der Vorarlberger Hans Weingartner, Jahrgang 1970, warf mit "Die fetten Jahre sind vorbei" bei der Vorauswahl den Altmeister Schlöndorff aus dem Rennen - der mit der "Blechtrommel" seinerzeit eine Goldene Palme holte.

Zwischen himmelhohen Hoffnungen und einem coolen "Dabei sein ist alles" ist in diesen Tagen Weingartners Gefühlsskala angelegt. Auf jeden Fall ist nach dem triumphalen Jahr mit "Good Bye, Lenin!" und der Rückkehr nach Cannes die Stimmung bei den Produzenten und Regisseuren, der Export-Union und Kulturstaatsministerin Christina Weiss entschieden besser geworden.

Weingartners Film scheint erfrischend subversiv zu sein, mit dem gleichen Maß an Improvisation und Freiheit gedreht wie sein erster Film, "Das weiße Rauschen", und auch diesmal ist Shooting Star Daniel Brühl dabei.

Ein Kinostück also, das dem Cannes-Wettbewerb durchaus gut tun könnte, der durch ein extremes Hollywood-Powerplay dominiert wird. Die US-Studios nutzen das Festival ungeniert als Sprungbrett, um ihre Großproduktionen - von "Troja" bis "Shrek 2" - in die Kinos zu bringen. Hoffentlich droht dem Festival nicht von dieser Seite ein kreativer KO.

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