Burda: Bambi in der ARD:Rosen und Rehe gegen den Weltuntergang

Leona Lewis sang bei einer Offenburger Parodie des Oscars: Mitten in der Krise wurde Bambi-Jubiläum gefeiert.

Hans-Jürgen Jakobs

Mit runden Geburtstagen ist das so eine Sache, besonders im fortschreitenden Alter. Die Faustregel lautet, entweder ganz groß zu feiern oder dem Ehrentag an einen schönen Urlaubsort zu entfliehen.

Burda: Bambi in der ARD: Leona Lewis ließ sich bei der Bambi-Verleihung nicht die Show von Britney Spears stehlen.

Leona Lewis ließ sich bei der Bambi-Verleihung nicht die Show von Britney Spears stehlen.

(Foto: Foto: AP)

Als der Fernsehpreis Bambi des Verlegers Hubert Burda am Donnerstag 60. Geburtstag feierte, da gab es wohl in der bunten Welt höherer Tiere keine andere Wahl, als vor Millionenpublikum in der ARD eine Gala zu inszenieren - doch es wäre auch schön gewesen, an irgendeinem fernen Strand unbehelligt solcher Festivitäten zu bleiben.

Der Tanz um ein goldenes Reh hatte wenig mit dem Anspruch zu tun, ein deutscher Oscar zu sein. Auch wenn an diesem Abend gefühlte sechzig Mal der Name "Burda" ehrfürchtig von dankenden Preisträgern dahingehaucht wurde, hatte sich am Ende Offenburg noch immer nicht in Hollywood verwandelt. Vielmehr produzierte diese Dauerwerbesendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Missverständnisse am laufenden Band.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Harald Schmidt sein Publikum nur bedingt zum Lachen brachte.

Rosen und Rehe gegen den Weltuntergang

Der Moderator Harald Schmidt zum Beispiel, der schon zum dritten Mal den fröhlichen Tierpfleger im Bambi-Zoo gab, unterlag offenbar dem Irrtum, sich des Jobs als Chargendarsteller am besten entledigen zu können. Der gelernte Schauspieler erntete mit seinen Sketches verdächtig oft eisiges Schweigen. Da half auch ein: "Sie dürfen lachen!" nicht weiter.

So glaubte Schmidt, in der Rolle eines Schwyzerdütsch sprechenden Rosenkavaliers an jenen eidgenössischen Gigolo zu erinnern, der reiche Frauen mit Sexvideos erpresst hat und nun in München-Stadelheim einsitzt. Ein anderes Mal hatte er sich Bäcker-, Metzger- und Winzerkluft übereinander angezogen und hielt das für witzig. Oder begab sich im Einspielfilm mit Samenspritze zu den Rehen ins Gehege, damit es ja neue Bambis gebe.

Einmal las der Mann, der einmal die große Hoffnung des Fernsehens war, "aus dem alten Parteibuch von Wolfgang Clement" vor, und es war nur die Überleitung auf den Laudator Hape Kerkeling. Auf der nach unten offenen Richter-Skala des schlechten Geschmacks fand der Moderator an diesem Abend keinen Halt.

Wahrscheinlich war der Druck einfach zu groß, angesichts des aktuellen Terrors in Indien hier im Badischen die große Glitzershow hinzulegen. Man hätte auf die Live-Übertragung ja verzichten und die Nummer in gekürzter Form nachreichen können. Doch die um den Programmauftrag bemühte ARD hatte wie stets den goldenen Mittelweg gefunden, die "Tagesschau" um fünf Minuten verlängert, auf einen "Brennpunkt" verzichtet und dann zu Burdas Smoking-Area geschaltet.

Harald Schmidt entschied sich in dieser Lage für die Strategie des Rheumadeckenverkäufers auf einem ins Gewitter geratenen Ausflugsschiff und pries seine Ware einfach noch lauter und penetranter an. Unentwegt redete er von einem "großartigen Fest" und proklamierte: "Man kann auch in der sogenannten Krise Spaß haben!" Diesem kalauernden Imperativ diente der Gag: "Der Weltuntergang steht bevor, das hat man uns versprochen!" Das dürfte, wenn es gerecht zugeht, sein Untergang als Bambi-Zeremonienmeister gewesen sein.

Zu den Missverständnissen dieses Wildwechsels gehörte auch, dass irgendjemand glaubte, angesichts der angeheuerten Stars sei der Ton nicht so wichtig. Die in ein schwarzes Höschen gepackte Britney Spears jedenfalls war mit ihrem verkrampften Madonna-Plagiat kaum zu verstehen. Auch drangen viele Laudatoren mit ihren gestanzten Huldigungen nicht richtig durch.

Vielleicht entschlossen sich deshalb viele Preisträger, auf die üblichen brühwarmen Dankesworte zu verzichten. Die Schauspielerin Johanna Wokalek blieb erst einmal einfach stumm, Keanu Reeves kam und ging schnell, selbst Bully Herbig fiel kein Witz ein. Und Hardy Krüger, der einen Bambi für sein Lebenswerk erhielt, bedankte sich mit einem einzigen Satz. Da fiel es schon sehr auf, wenn jemand wie Christine Neubauer mit dem Danken und Loben des in Offenburg großgewordenen Bambi-Schöpfers Burda gar nicht mehr aufhören wollte.

Stefan Raab dankte "Mama" Uschi Glas. Lesen Sie auf der nächsten Seite, wer außer dem Entertainer aus der Reihe tanzte.

Rosen und Rehe gegen den Weltuntergang

Manchmal fragte man sich, was wohl der ums Kulturelle besorgte Marcel Reich-Ranicki über diese Veranstaltung des promovierten Kunsthistorikers Hubert Burda sagen würde - da brachte auch schon der Bambi-prämierte Entertainer Stefan Raab die Rede auf den Literaturpapst der Frankfurter Allgemeinen, der bekanntlich den Deutschen Fernsehpreis abgelehnt hatte.

Er würde den Preis annehmen, deklamierte der Mann von Pro Sieben stolz über den Bambi, immerhin stehe er ja in einer guten Reihe von ebenfalls Ausgezeichneten - und nannte frühere Preisträger wie Marianne & Michael, Peter Bond, Jan Ullrich, "die Frau vom Franjo Pooth" und Klaus Zumwinkel, den steuersündenden Ex-Chef der Deutschen Post. Hier trifft es die Richtigen, wollte er damit sagen. Er hätte der Wahrheit wegen auch erwähnen können, dass der Bambi früher schon mal in einer Münchner Disco oder im Kursaal zu Ruhpolding verliehen worden war.

Spaßmacher Raab ließ es sich also nicht nehmen, die deutsche Parodie des Oscars zu parodieren - einer der wenigen großen Momente des Burda-Betriebsfests. Nur dass er am Ende die unvergängliche Uschi Glas (Bambi 1969, 1970) bei der Danksagung ausdrücklich veräppelnd mit einem lauten "Danke, Mama!" erwähnen musste, gehörte sich einfach nicht. Wahrscheinlich bekommt er Bambi-Verbot für den Rest seines Lebens.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Meg Ryan sehr wuschelig sympathisch wirkte, Pink und Leona Lewis großartig sangen, das prämierte Wiesbadener Kinderhospiz vorbildliche Arbeit leistet, die Bunte-Chefredakteurin ein schätzungsweise 100.000 Euro schweres Collier ausführte, während Sylvie van der Vaart ein Leopardenkleid trug und die Bambi-Ehrung von Placido Domingo durch Rolando Villazon erfreulich ungekünstelt war.

Und doch blieben am Ende viele Fragen. Zum Beispiel, warum die schöne Verlegerfrau Maria Furtwängler nicht wie sonst am Mikrofon in Erscheinung trat - im vergangenen Jahr hatte sie bei der eigenen Veranstaltung noch den Publikumspreis in Empfang nehmen dürfen. Oder warum an 60 Jahre Bambi - immerhin ein wichtiges Kapitel deutscher Zeitgeschichte - nicht anders erinnert werden konnte als mit kurzen Einspiel-Clips. Und warum es nicht gelungen war, den bald 105-jährigen Zeitzeugen Johannes Heesters (bekam wieder einen Bambi) in die Offenburger Halle zu bekommen. Beim 40. Bambi-Fest im Jahr 1987 - damals auch in Offenburg - hatte er ein Jubiläums-Reh erhalten.

Oder ob es um Boris Becker so schlecht steht, dass er einen Bambi wortlos überreichen muss. Und ob künftig immer Ministerpräsidenten bei Burda Journalisten ehren dürfen: Der leibhaftige Günther Oettinger zeichnete den Top-Nachrichtenmann Peter Kloeppel aus und tischte dabei auf, Informationen seien "geistiges Grundnahrungsmittel".

Der Mann ist Medienpolitiker und könnte das Seine dazu tun, Dauerwerbesendungen in der ARD zu minimieren - selbst wenn es sich um die goldigste Gebührenverschwendung handelt, die sich das System leisten kann. Dabei ist es ausgerechnet Burda, der sonst nach Herzenslust über die ARD und ihre kommerziellen Auswüchse meckert.

Erfreulicherweise überzog die Bambi-Gesellschaft nicht, wie 2007, die Sendezeit. Sie machte sogar zehn Minuten früher Schluss. Wir sind am Ende, musste der Moderator mehrfach programmatisch rufen, ganz so, als könne er es selbst nicht glauben. Dann ging es wieder ins reale Leben zurück, zu den Toten von Mumbai und den Halbtoten des Finanzmarkts.

Dank Schmidt ist der Zuschauer seit diesem Geburtstagsabend gut informiert: "Der Bambi ist so viel wert wie eine durchschnittliche Landesbank."

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