Bundesarchiv:Unerforschbar

Das Parlament hat am Donnerstag das neue Bundesarchivgesetz verabschiedet. Der Archivarsverband ist verärgert über Teile der Pläne, die beachtliche Erinnerungslücken bringen würden.

Von Rudolf Neumaier

Weniger als eine Dreiviertelstunde brauchte der Bundestag am Donnerstag, um das neue Bundesarchivgesetz zu verabschieden. Ralf Jacob, der Vorsitzende des Archivarsverbandes VdA, schüttelte am Tag darauf den Kopf. Er sei enttäuscht, sagte er. Enttäuscht über das Gesetz und auch über seine Entstehung. Im Oktober wurden Jacob und andere Geschichtsexperten im Kulturausschuss des Bundestages ausführlich nach ihrer Meinung zum Entwurf des Gesetzes befragt. Diese Reise nach Berlin hätten sie sich sparen können: Ihre Einwände gegen den Entwurf prallten an der Regierungskoalition ab. "Wir wurden gehört, aber nicht berücksichtigt", sagt Jacob.

Die Unionsparteien folgten dem Bundeskulturministerium, das dieses Gesetz erarbeitet hatte, und auch die SPD fügte sich - jedoch mit dem Hinweis, nun blieben immerhin für die Zukunft Verbesserungsmöglichkeiten offen. Das neue Gesetz sollte das Bundesarchiv modernisieren und nutzerfreundlicher machen. Dass seine Digitalisierung mit der Neuregelung Fortschritte macht, lobten denn auch alle Parteien. Ebenso begrüßten sie einhellig die Verkürzung diverser Schutzfristen. Auch Ralf Jacob und das Bundesarchiv sehen darin Verbesserungen.

Wie das Gesetz nun verabschiedet worden ist, reißt es aber nach Jacobs Ansicht beachtliche Erinnerungslücken ins Gedächtnis der Bundesrepublik. Statt Registerakten mit Daten von Bürgern unter dem Siegel des Datenschutzes an die Archive zu geben, damit eines Tages Historiker damit arbeiten können, dürfen sie unwiederbringlich gelöscht werden. "Bisher waren etwa Themen wie Migration historisch breit erforschbar", sagt Jacob. Vom Jahr 2017 an werden Geschichtswissenschaftlern solche Quellen fehlen. Auch bei den Nachrichtendiensten bleibt das Gesetz weit hinter den Erwartungen der Archivare. "Wir erleben regelmäßig die physische und technische Vernichtung von Daten, wo Nachrichtendienste ihre Tätigkeit verschleiern", sagt Jacob. Dieses Vorgehen werde nun legitimiert.

Der Chef des Archivarsverbandes hofft aber weiter: Im kommenden Jahr müsse das Archivgesetz wegen der EU-Datenschutzgrundverordnung schon wieder neu geregelt werden. Bis dahin werde er sich mit vielen plastischen Beispielen für eine weitere Modernisierung des Archivgesetzes einsetzen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: