Bühne:Darwin, Freud und Dürrenmatt

Das Internationale Figurentheaterfestival präsentiert in diesem Jahr 20 Inszenierungen, die das Universum im Kleinen abbilden. Aus den unterschiedlichsten Perspektiven wird nach der Entstehung der Welt gefragt

Von Barbara Hordych

Die Suche nach der Erkenntnis dessen, "was die Welt im Innersten zusammenhält", trieb bereits Goethes Faust an und um. Ob ihm da die "Kleine Schöpfungsgeschichte" des Fliegenden Theaters aus Berlin weitergeholfen hätte? Die halten jedenfalls so manche eigenwillige Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Lebens bereit: Vielleicht ist die Welt aus einem Ei geschlüpft? Oder es hat sie ein Zauberer aus dem Ärmel geschüttelt? Und wer weiß, vielleicht ist es sogar wahr, dass am Ende eine Engelschar die zu Brot gewordene Erde genussvoll verzehrt? Zwischen dem Schöpfungsei und der leibhaftig gewordenen Erde entspannt sich der skurrile Geschichtenreigen nach dem Buch "Aller Anfang" von Jörg Schubiger und Franz Hohler, der repräsentiv für das zentrale Thema des diesjährigen Internationalen Figurentheaterfestivals steht (Samstag, 17. Okt., 15 Uhr, Pasinger Fabrik).

Unter dem Motto "Große kleine Welt" haben die Festivalmacher zwölf Inszenierungen für Kinder und acht für Erwachsene zusammengestellt, die Auskunft geben zu Fragen wie "Woher kommen wir?"und "In welcher Welt wollen wir überhaupt leben?". "Ich war überrascht, wie deutlich sich Kosmogonien, Schöpfungsgeschichten, sogar der Akt des Schöpfens selbst auf der Bühne als roter Faden in den zeitgenössischen Produktionen herauskristallisiert haben, obwohl die Künstler ja unabhängig voneinander arbeiten", sagt Jörg Baesecke, der Präsident der Gesellschaft zur Förderung des Puppenspiels (GFP). Es gebe also doch so etwas wie einen "Zeitgeist", vermutet Baesecke. Und der beschäftige sich offensichtlich aktuell mit Welterklärungen.

Eine Diskussion, in der mitunter das Universum höchstpersönlich mitmischt, beispielsweise in dem Stück "Alles über die Welt" von Christoph Bochdansky. Darin erklärt der Wiener Anarchist der Figurentheaterszene als "Herr Universum", wie die Welt wirklich entstanden ist, wieso er die Vernunft aus seinen Schöpfungen rausgeschmissen hat, er den Traum als Konkurrenten empfindet und was er sonst noch alles erfunden hat, bevor ihm der Spaß eingefallen ist, den Menschen zu erschaffen. (Donnerstag, 22. Okt., 20 Uhr, Stadtmuseum). Direkt als Schöpfer betätigt sich Joachim Torbahn von den Nürnberger Thalias Kompagnons in seinem Knet-Abenteuer zur Schöpfungsgeschichte "Aus dem Lehm gegriffen", dessen Titel wortwörtlich zu verstehen ist. Das martialisch-komische Entstehen und Vergehen seiner kleinen Lehmwelten enthält ein ganz unprätentiöses Gleichnis: Nichts bleibt, wie es ist. Weswegen auch nichts hingenommen werden muss, wie es ist. Da kann sogar ein bisher plattes Volk seinen gierig sich ausbreitenden Herrscher über- und einrollen (Sonntag, 18. Okt., 15 Uhr, Stadtmuseum).

Die iranische Gruppe Yase Tamam hingegen träumt von einer besseren Welt. Um diese vorzustellen, verwendet sie Ton als Ausdrucksmaterial. Ganz nach der Devise von Peter Schuman, Gründer des Bread-and-Puppet Theater und Ikone des politischen Figurentheaters: "Puppen sind die unerlässlichen Fragezeichen, welche dem gewaltigen Weltmarkt auf den Kopf hauen." In einer repressiven Gesellschaft kann die Puppe auf der Bühne eben mehr sagen und tun als der Mensch. So destilliert die Regisseurin Zahra Sabri in ihrem Stück "Count to One" aus 1000 Jahre alter persischer Dichtkunst pazifistisches Gedankengut - und erzählt die Geschichte von drei Soldaten, die den Krieg verweigern und stattdessen von der Liebe träumen. "Im Iran herrscht immer noch Zensur, gerade dort ein Stück zu inszenieren, in dem die Figuren ihre Waffen niederlegen, ist besonders mutig", sagt Evelyn James, die gemeinsam mit Mascha Erbelding das Festival kuratierte (Samstag, 17. Okt., 16 u. 20 Uhr, Stadtmuseum).

Das Ensemble Meinhardt & Krauss & Feigl aus Stuttgart wiederum sprengt mit dem Einsatz von Hightech und Videotracking-Software alle Erwartungen an das Figurentheater: Ihr kosmisches Lichtspiel "Und plötzlich stand die Sonne still" über das menschliche Weltbild ist der erste Teil einer auf vier Stücke angelegten Serie, die sich thematisch mit "Den großen Kränkungen der Menschheit" beschäftigt. Während die erste "kosmologische" Kränkung in der Tatsache besteht, dass die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt ist (Kopernikus), besteht die zweite "biologische" Kränkung in der Tatsache, dass der Mensch dem Tierreich entstammt und nicht von Gott geschaffen wurde (Charles Darwin). Die dritte "psychologische" Kränkung wiederum entspringt Sigmund Freuds Beobachtung, dass ein Teil des Seelenlebens sich der Kenntnis und der Herrschaft des Willens entzieht. Dass nun der erste Teil der Serie in München zu sehen sein wird, freut die Veranstalter, darunter das Stadtmuseum, die Schauburg, das Instituto Cervantes und Kultur & Spielraum, besonders (Freitag, 23. Okt., 20 Uhr, Stadtmuseum).

Eine sich gespenstisch verändernde Welt zeigt das weltweit gefragte Puppentheater Halle, dem laut Erbelding in der Szene "ein sagenhafter Ruf" aufgrund seiner ungewöhnlichen Verknüpfung von Schauspiel und Puppenspiel voraus eilt. Sie spielen den Dürrenmatt-Klassiker "Der Besuch der alten Dame": Geiz, Gier und Macht beherrschen die Kleinstadt Güllen, deren Einwohner mit fortschreitender Handlung immer entmenschlichter werden und zu Puppen erstarren. Bis schließlich nur noch die Dame als Mensch zurückbleibt, gespielt von Ursula Werner, die lange Jahre Ensemble-Mitglied des Maxim-Gorki-Theaters war (Montag und Dienstag, 19. und 20. Okt., 19.30 Uhr, Schauburg) .

Eine umgekehrte Funktion übernehmen die Puppen in dem Film "Das fehlende Bild" des Kambodschaners Rithy Panh: Stellvertretend für eine Welt, für die es keine Bilder gibt, haucht der Filmemacher ihnen eine Seele ein und lässt mit ihnen seine zerstörte Kindheit lebendig werden. Panh war gerade einmal 13 Jahre alt, als die Roten Khmer den Großteil seiner Familie auslöschten. Die Bilder von Tod und Grauen im Arbeitslager, aber auch vom Leben im Elternhaus in Phnom Penh, haben sich in sein Gedächtnis eingebrannt, doch reale Aufnahmen der damaligen Zeit gibt es nicht. Die historischen Lücken füllt er, indem er bemalte, handgeformte Tonfiguren als Statthalter nutzt. Sein ergreifender Film wurde 2013 beim Festival in Cannes ausgezeichnet und war 2014 als Bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert - am Donnerstag, 15. Oktober, ist er um 19 Uhr im Filmmuseum zu sehen.

Internationales Figurentheaterfestival, 14. bis 25. Oktober; Zentrales Vorverkaufsbüro vom 7. bis 10. Oktober, 15-18 Uhr, Foyer des Stadtmuseums; www.figurentheater-gfp.de

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: