Bücher:Heldenlegenden mehren

Bücher: Thomas Schillo und Tochter Sophie ziehen mit dem Schillo Verlag ein Haus weiter - und wollen die Münchner Literaturszene in einiger Hinsicht beleben.

Thomas Schillo und Tochter Sophie ziehen mit dem Schillo Verlag ein Haus weiter - und wollen die Münchner Literaturszene in einiger Hinsicht beleben.

(Foto: Robert Haas)

Wie sich der Schillo Verlag im Westend neu positionieren will

Von Antje Weber

"Seht her, verehrte Leser, welch bemerkenswerten Text der edle Herr der Welt bescherte!" So beginnt der Text eines gewissen Engelbert Engelbrecht, und wer jetzt stutzt, wundert sich beim Titel des Werkes noch mehr: "Elfenfeld - elf bekennender Schwerverbrecher schreckenerregendes Ende". Eine wahre "Heldenlegende" erwartet den Leser, deren größter Held allerdings der Verfasser Reinhard Ammer selbst ist: Er hat es geschafft, auf 60 Seiten bis auf wenige Ausnahmen nur den Vokal "e" zu verwenden.

Dieses sprachspielende Büchlein des Münchner Autors Ammer ist vor einigen Jahren im Verlag Kunst- und Textwerk erschienen. Ammers Flugschrift "Heimat" dagegen wurde vom Verlag in der Lindenstraße verlegt, ebenso wie ein Kinderbuch von ihm. Für beide Verlage war und ist der Münchner Thomas Schillo verantwortlich. Verwirrend? Durchaus. Unter dem nunmehr einzigen Namen "Schillo Verlag" werden daher künftig alle Publikationen zusammengeführt. Und das ist nicht die einzige Neuigkeit, die es aus der Münchner Kleinverlegerszene zu vermelden gibt. Für Literaturliebhaber im Westend vielleicht auch gar nicht die wichtigste.

Denn für die Bibliophilen in diesem Stadtviertel ist wohl noch interessanter, dass sich in der Ligsalzstraße kulturell wieder etwas tut. Erst im Oktober hatte dort die Kunst- und Textwerk-Buchhandlung aufgegeben. Denn "das Viertel ändert sich", wie Schillo-Pressesprecher Heinrich Matthias bei einem Gespräch im ehemaligen Café des Buchladens resümiert; vor allem soll im Herbst das Forum Schwanthalerhöhe mit einer Hugendubel-Filiale eröffnen - das macht es noch schwieriger für ein kleines Buchgeschäft fast nebenan.

Die Buchhandlung wird daher auch nicht wieder aufleben, statt dessen zieht der zuvor benachbarte Verlag in die Räume - und will immerhin das Lesecafé wiederaufnehmen. Nicht ständig, aber regelmäßig sollen hier Veranstaltungen stattfinden, es solle ein "Ort der Begegnung, ein Ort des kulturellen Austauschs" sein, sagt Matthias. An diesem Sonntag eröffnen das Lesecafé und der Showroom des Verlags; unter anderem wird Schillo-Autor Reinhard Ammer aus seinem Kinderbuch "Oskar, der innere Schweinehund" lesen.

Doch so schön es ist, im Westend wieder einen kulturellen Treffpunkt für literarische Diskussionsrunden und Filmvorführungen zu installieren - die Initiative soll sich nicht nur auf das Stadtviertel beschränken. Denn der Schillo Verlag gehört zu einem im vergangenen Jahr gegründeten Verbund kleiner unabhängiger Verlage; zu den "Münchner Buchmachern" zählen neben Schillo noch der Austernbank Verlag, die Edition Tingeltangel, der Franz Schiermeier Verlag, der Hirschkäfer Verlag, der Morisken und der Susanna Rieder Verlag. Ziel ist es, sich auszutauschen und gemeinsame Aktionen zu planen.

"Es macht wirklich Sinn, gemeinsam aufzutreten und zu zeigen, dass es Münchner Verlage gibt, die herrlich skurrile Bücher im Programm haben", sagt Matthias. Im März hat das schon ganz gut geklappt, als die Bücher der Verlage beim "Indiebookday" in etlichen Buchhandlungen präsent waren. Für den Herbst plant man einen Tag der "Münchner Buchmacher" im Lovelace. Außerdem will der Schillo Verlag seine Räumlichkeiten künftig den anderen Verlagen kostenfrei für Veranstaltungen zur Verfügung stellen; vor wenigen Tagen erst hat sich die "heterogene Truppe" (Matthias) in der Ligsalzstraße getroffen.

An Heterogenität ist schon allein der Schillo Verlag kaum zu überbieten: Das Spektrum der bisher erschienenen Bücher reicht von Essays bis zu Deutschkursen, Kochbüchern, Lyrik. Schillos Tochter Sophie, als Grafikdesignerin neu in den Verlag eingestiegen, ist nun dabei, zumindest das optische Erscheinungsbild zu vereinheitlichen. Doch wichtig bleibt vor allem die "Offenheit gegenüber experimenteller, kontroverser und gesellschaftskritischer Literatur fernab des rein kommerziellen Mainstreams", wie es auf der Webseite heißt. Und das wird den Lesern wohl auch weiterhin sehr bemerkenswerte Heldenlegenden bescheren.

Schillo Verlag, Neueröffnung des Lesecafés am Sonntag, 6. Mai, ab 10 Uhr, Ligsalzstraße 13

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