Jenny Erpenbeck hat mit "Gehen, ging, gegangen", den Roman der Saison geschrieben. Ein emeritierter Altphilologe mit DDR-Biografie fasst darin ein Interesse an den Flüchtlingen, die auf dem Berliner Oranienplatz campieren. Er gibt ihnen Deutschunterricht, freundet sich mit einzelnen an, lädt einen jungen Mann zu sich nach Hause ein, um ihm das Klavierspielen zu ermöglichen. Eingestreut sind die Geschichten, die er sich erzählen lässt und mit dem Tonband aufzeichnet, Geschichten von Massakern und Kriegen in den Heimatländern, vom Verlust der Familien, von Toten und von Armut, Geschichten auch vom Sterben und Kämpfen auf den Booten im Mittelmeer.
Erpenbeck ist nah dran an der deutschen Wirklichkeit, an den Flüchtlingsheimen, dem Misstrauen, das den Flüchtlingen entgegenschlägt und all den Auseinandersetzungen um Bleiberecht und Arbeitsmöglichkeiten. Und wer wissen will, wie es Flüchtlingen hierzulande ergehen kann, dem sei dieses Buch als Sachkunde durchaus empfohlen. Die didaktische Absicht aber ist klar: der anonymen Menge der Flüchtlinge persönliche Gesichter und Geschichten zu verleihen, um so die Empathie zu steigern. Das mag auch gelingen; doch der Roman ächzt und stöhnt unter so viel gutem Willen und Vorsätzlichkeit.
Lesen Sie hier die vollständige Rezension von SZ-Literaturkritiker Jörg Magenau.