Buchheim-Museum:Fragmente eines Gesamtkunstwerks

Lesezeit: 2 min

Der Schreibtisch des Hausherrn Lothar-Günther Buchheim einschließlich des Campingtischs, an dem er Bundeskanzler Schröder empfing. (Foto: Florian Holzherr, 2015)

Daniel Schreiber nennt seine Gedächtnisausstellung an den Hauspatron "Marché sentimental". Sie kann nur in Teilen vermitteln, welche Schätze dessen Nachlass in der Feldafinger Villa birgt - und ihr droht der Abriss

Von Sabine Reithmaier, Bernried

Schrottskulpturen, bemalte Ölfassdeckel, Papiermaché-Figuren, Kunstkalender, Hampelmänner und, nicht zu vergessen, die berühmten hölzernen Heugabeln: Letztere präsentierte Lothar-Günther Buchheim dem leicht verblüfften Edmund Stoiber, als der ihn bat, ihm etwas aus seiner weltberühmten Kunstsammlung zu zeigen. Mühelos weckt das Sammelsurium, das den Gang von der Kasse direkt zum Außensteg des Buchheim-Museums säumt, die Erinnerung an den Gründer des Museums.

Daniel Spoerri war der erste, der 1979 in Köln mit dem Musée Sentimental ein Ausstellungskonzept entwickelte, das es alltäglichen Objekten überlässt, biografische Geschichten zu transportieren. Und frei nach Spoerri nennt Daniel J. Schreiber, Chef des Buchheim-Museums, daher die neue Gedächtnisausstellung "Marché sentimental". Fotos und Zitate des Hauspatrons ergänzen die Annäherung. Die Hampelmänner etwa hat Buchheim persönlich gesägt und angemalt, weil er hoffte, durch ihren Verkauf unmittelbar nach dem Krieg damit Geld zu verdienen. Das war etliche Jahre, bevor es ihm gelang, seinem Verlag mit den Kunstkalendern eine sichere Einkommensquelle zu erschließen.

Ob Stoiber, damals bayerischer Ministerpräsident, auch am Schreibtisch respektive an dem direkt anschließenden Campingtischchen saß, an dem Buchheim zu empfangen pflegte, ist ungewiss. Überliefert ist, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder an dieser Stelle dem wortgewaltigen Kunstsammler lauschte. Das Tisch-Ensemble ist aus dem Feldafinger Wohnhaus der Buchheims in die Galerie des großen Saals verpflanzt worden, wirkt dort aber längst nicht so chaotisch überbordend wie an seinem ursprünglichen Platz. Auch die von Parfumflakons oder gläsernen Briefbeschwerern überwucherten Kommoden oder die Regale, in denen sich Porzellanfiguren und Mokkatassen drängen, geben nur einen schwachen Eindruck des Urzustandes wieder.

Wie es im Feldafinger Haus wirklich aussah, hat der Fotograf Florian Holzherr dokumentiert. Seine Aufnahmen sind dringend notwendig. Vermutlich wird Buchheims Domizil abgerissen werden, auch wenn sich die Arbeitsgemeinschaft der Museen in Bayern dieser Planung widersetzt mit dem Argument, die Villa sei ein Gesamtkunstwerk, wie es kaum ein anderes in Bayern gebe. Es sei ein "Akt der Kulturlosigkeit", das Haus zu zerstören und zwei lang gestreckte Mehrfamilienhäuser an seine Stelle zu setzen, teilt die AG mit. Doch die gemeinnützige "Buchheim-Stiftung", in deren Besitz die Villa nebst Verlag nach dem Tod von Diethild Buchheim im Vorjahr überging, braucht Geld für den Erhalt des Museums und hält das Haus für nicht schutzwürdig respektive den Renovierungsaufwand für zu groß.

Von der Galerie aus hat man einen guten Blick auf die Druckgrafik aus dem Nachlass, die am 28. November zugunsten des Ankaufsetats des Museums versteigert wird. Buchheim, ein gewiefter Geschäftsmann, hatte von vielen Blättern mehrere Exemplare erworben, wohl wissend, dass deren Marktwert steigen würde, wenn sie zu musealen Ehren gelangt waren. Tolle Sachen sind darunter, etwa Otto Dix grandioser Radierzyklus "Der Krieg", in dem der Künstler seine Kriegserfahrungen verarbeitet. Aber es gibt auch Picassos, Chagalls, Beckmanns, Corinths, Heckels und vieles mehr. Keine Sorge: Der Bestand des Museums ist nicht gefährdet. Jedes Exemplar, das unter den Hammer kommt, ist im Haus noch einmal vorhanden.

Marché Sentimental - Schätze aus dem Nachlass Buchheim , bis 17.Januar 2016, Buchheim-Museum Sonderauktion Druckgrafik am Samstag, 28. Nov., 15 Uhr. Vorbesichtigungstage mit freiem Museumseintritt: Sa, 21., So, 22., Mi, 25. 11.

© SZ vom 06.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: