Buchdebüt des Hollywoodstars:Die unruhigen Träume des Tom Hanks

Tom Hanks

Seiner Sammlung alter Schreibmaschinen hat Tom Hanks in seinem Erzählband einen Gastauftritt verschafft.

(Foto: dpa)

Der Schauspieler hat ein Buch geschrieben. In der Geschichtensammlung "Schräge Typen" geht es um Zeitreisen, den amerikanischen Traum und immer auch: Schreibmaschinen.

Von Sofia Glasl

"Die Vergangenheit ist uns wichtig." Mit diesem Satz wirbt die Zeitreiseagentur Chronometric Adventures in einer unbestimmten Zukunft. In ihrer New Yorker Filiale kann jeder, der das notwendige Kleingeld dazu hat, zum 8. Juni 1939 reisen und die Stadt 24 Stunden lang besichtigen. Danach geht es wieder zurück, denn sonst drohen gesundheitliche Langzeitfolgen. Der Selfmade-Milliardär Bert Allenberry macht diesen Ausflug dennoch mehrfach. Ursprünglich, um sich die Weltausstellung anzusehen, später, weil er sich in eine Frau aus diesem Moment im Raum-Zeit-Kontinuum verliebt hat. Täglich grüßt das Murmeltier, er muss immer wieder zurück, um zu lernen, wie er seine Herzensdame erobern kann. Obendrein ist er ein unverbesserlicher Nostalgiker, der die Kleidung aus den Dreißigern liebt, es genießt, dass in der U-Bahn ausschließlich analoge Zeitungen gelesen werden und auf der Weltausstellung Erfinder stolz neue Medien wie das Fernsehen präsentieren.

Dieses Paradox des Zeitreisenden, das Kippbild zwischen Visionärem und Veraltetem, markiert die Halbwertszeit einer jeden Erfindung und eines jeden Zeitgeistes. Sie ist das Zentralobjekt, um das die Motivation von Nostalgikern wie Bert Allenberry rotiert. Er und viele seiner Brüder und Schwestern im Geiste bevölkern den Erzählband "Schräge Typen", das literarische Debüt von Tom Hanks. Ja genau, der Tom Hanks. Der Mr. Nice Guy aus Hollywood und beliebte Jedermann, der als tollpatschiger Forrest Gump die Welt entdeckte, als Chuck Noland mit dem Volleyball Wilson auf einer Insel überlebte und als Jim Lovell, "Houston, wir haben ein Problem", von einer misslungenen Mondmission gerettet werden musste.

Aber auch der Tom Hanks, der auf Instagram Fotos von verloren gegangenen Schuhen, Fäustlingen und Hüten postet und sich Gedanken über ihr Schicksal macht. Der mechanische Schreibmaschinen sammelt und über seine Freude an den Apparaten 2013 einen Essay in der New York Times veröffentlichte. Die alten Schreibmaschinen sind der Aufhänger dieses Bandes, in jeder Erzählung kommt eine vor und trifft auf den einen oder anderen Nostalgiker. Manchmal nur für einen kurzen Moment, etwa wenn in "Geh zu Costas" ein gerade vom Schiff gestiegener Immigrant in Manhattan einer Sekretärin begegnet, die zu einem Schallplattenkurs Tippübungen macht.

Hanks macht die Schreibmaschinen zu Begleitern seiner Protagonisten

Manchmal fungiert eine Schreibmaschine auch als Bindemittel, etwa in der Geschichte "Ein besonderes Wochenende", die von dem zehnjährigen Profimelancholiker Kenny und seiner Mutter handelt. Darin lässt der Junge sein altes Leben vor der Scheidung der Eltern wie ein Großvater Revue passieren und tippt im neuen Büro der Mutter an der elektrischen Schreibmaschine einen geheimen Brief an sie, den er in einer Schublade hinterlegt. Oder die Schreibmaschine wird zum Wegweiser, wie bei der jungen Schauspielerin Sue in "Wer ist wer", die in den Siebzigern nach New York zieht, um am Broadway den Durchbruch zu schaffen. Erst, als ihr alter Freund Bob ihren handschriftlich geflickten Lebenslauf auf einem ratternden und klingelnden Ungetüm in Form bringt und inhaltlich aufpoliert, findet sie zu altem Selbstvertrauen zurück.

Der unverwüstliche Glaube an den American Dream

Hanks macht die Schreibmaschinen zu Begleitern seiner kauzigen Protagonisten, manchmal auch zu Beförderern ihres Schicksals. Die "Typen" des Titels meinen nicht nur Charaktere, sondern auch die Buchstaben von Typenhebelmaschinen. So unverwüstlich die mechanischen Monstren sind, so unverwüstlich ist auch der kulturell eingehämmerte Glaube an den American Dream. Außer den Schreibmaschinen verbinden klassische Americana die sechzehn Storys: der alles bestimmende Glaube an den Fleiß, mit dem die Eroberung des Mondes, die reibungslos funktionierende Kernfamilie und der Sieg in der Bowlingliga erreicht werden können, aber auch die Vorliebe für Lebenselixiere wie Hotdogs, Cola und Kaffee.

Vier wiederkehrende Freunde leben diese oft zum Klischee erstarrten Werte. Als in "Drei erschöpfende Wochen" Mohammed Dayax-Abdo, genannt MDash, seinen Einbürgerungstest besteht, organisieren sie einen Fahrradanhänger voller Bier und tanzen zu Songs mit "America" im Titel. In der futuristischen Episode "Alan Bean plus vier" bauen sie sich selbst eine Raumkapsel und umrunden den Mond - ein Bauteil wird selbstredend mit einer Schreibmaschine quittiert. Mehr Nationalstolz geht nicht, auch wenn es den vieren nur um das spektakulärste Instagram-Video geht, um den American Dream, kondensiert auf einen Smartphone-Bildschirm, millionenfach teil- und klickbar.

In "Steve Wong ist perfekt" stellen sie bei einem Bowling-Abend fest, dass ihr Freund Steve einmal an der Grenze zum Profi war und in der Lage ist, ein perfektes Spiel hinzulegen, also zehn Strikes in Folge. Als ein Fernsehteam ihn vor die Kamera zerrt, will er ganz aufhören. Er spiele aus Spaß an der Freude, nicht, um im Rampenlicht zu stehen. Solche kleinen Momente zeigen die Kehrseite der Leistungsgesellschaft. Steve arbeitet gerne in einem Einrichtungshaus, er will seinen Status gar nicht verbessern. Auch der Traum vom Astronautendasein wird getrübt, als die vier feststellen, dass in den Geschichtsbüchern nichts über Astronauten steht, die sich bei der Adaption an die Schwerelosigkeit ständig übergeben müssen.

Hanks und seine Rollen schimmern immer wieder hinter den Figuren durch

Wo der Schauspieler Tom Hanks mit seinen Spielberg'schen Traumfabrikrollen für die Verwirklichung und Lebendigkeit dieses Lebensstils steht, umspielt der Autor Tom Hanks auf seinen Zeitreisen vor und zurück immer wieder die Haltbarkeitsgrenze dieses Mythos. Auch sprachlich vollzieht er diese Sprünge mit, wenn er seinen Figuren Ausrufe wie "Yowza" oder "Bestens, Baby!" in den Mund legt und sie rhythmisch, aber oft ohne Punkt und ohne Komma wie in Screwballkomödien der Vierziger vor sich hinplaudern lässt. Hier erzählt ein Nostalgiker, der vom amerikanischen Traum profitiert hat und gerne an ihn glauben möchte. Doch er kennt auch die Schattenseiten und ist nicht naiv genug, um über sie hinwegzulächeln. Hanks und seine Rollen schimmern immer wieder hinter den Figuren durch, die Normalos, die sich als Raumfahrer, Schiffbrüchige oder Kriegsveteranen wiederfinden und das Beste aus ihrer Situation machen müssen.

Etwas schade ist es deshalb, dass in der deutschen Übersetzung zwei Erzählungen aus dem Band genommen wurden, die den Verknüpfungspunkt zwischen dem Autor und dem Schauspieler Tom Hanks auf einer vergnüglichen Metaebene reflektieren. "Junket in the City of Light" handelt von der Promotiontour eines bekannten Schauspielers für seinen neuesten Film, die sich als Dauerschleife der immer gleichen Pressefragen und Tagesabläufe entpuppt, "Stay with us" ist ein in Drehbuchform gesetztes Stück über einen Tech-Millionär im Stile Elon Musks, der den amerikanischen Traum in eine überdrehte Ein-Mann-Show verwandelt.

Alle Geschichten sind eigenständige Sammelkarten in einem Album, das schrullige Typen vereint, die sich mit ihren Idiosynkrasien am American Way of Life abarbeiten. Tom Hanks ist nostalgischer Sammler von Americana, von Erinnerungen an die gute alte Zeit. Man könnte ihn einen Träumer nennen, aber in seinen Erzählungen träumt Amerika unruhige Träume von sich selbst.

Tom Hanks: Schräge Typen. Stories. Aus dem Amerikanischen von Werner Löcher-Lawrence. Piper Verlag, München 2018. 352 Seiten, 22 Euro. E-Book 16,99 Euro.

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