Buchautor:Überall Verwandtschaft

Buchautor: Der Journalist und Buchautor A. J. Jacobs, Jahrgang 1968.

Der Journalist und Buchautor A. J. Jacobs, Jahrgang 1968.

(Foto: globalfamilyreunion.com)

An diesem Samstag lädt der Journalist und Autor A. J. Jacobs zum größten Familientreffen der Welt in New York. Es lockt mit Genealogie-Vorträgen und einem Auftritt der Band Sister Sledge mit ihrem Hit "We are family".

Interview von Peter Richter

Der Journalist A. J. Jacobs schreibt seit Jahren über Experimente seines Lebens, seine Lektüre aller 32 Bände Encyclopædia Britannica etwa oder seine Versuche, der gesündeste Mensch der Welt zu werden. Nun organisiert er ein riesiges Familientreffen in New York, mit Ablegern in Bulgarien, China, Neuseeland und Texas.

SZ: Mit dem Argument, dass wir alle miteinander verwandt seien, versuchen Sie an diesem Samstag so viele Leute wie möglich zum größten Familientreffen der Welt zusammenzubringen, zur "Global Family Reunion" in New York. Sie locken mit Genealogie-Vorträgen und einem Auftritt der Band Sister Sledge mit ihrem Hit "We are family". Ist das nur ein Trick, um ins Guiness-Buch der Rekorde zu kommen?

A. J. Jacobs: Weltrekord wäre schon schön. Aber meine Leidenschaft gilt der tieferen Bedeutung, die dahintersteckt, wenn wir die Welt zu einer großen Familie machen. Man hat uns oft genug erzählt, die Menschheit sei eine große Familie, aber das war nie wirklich konkret. Jetzt gibt es erstmals in der Geschichte Wege aufzuzeigen, wie wir tatsächlich verwandt sind mit so gut wie jedem anderen. Und in den nächsten zehn Jahren werden wir einen Family Tree haben, der die gesamte Menschheit umfasst. Sobald wir das konkret vor Augen haben, wird es unsere Einstellung ändern. Vielleicht macht es uns ein wenig netter und empfänglicher für unsere entfernten Anverwandten? Ich habe es an mir selbst erlebt, dass ich nachsichtiger mit Leuten werde, die mich auf der Autobahn schneiden, wenn ich mir sage: Das ist doch dieser entfernte Cousin, so ist er nun mal . . .

Aber Sie wissen doch, dass man sagt, Familienfehden sind die erbittertsten?

Ja, aber ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt. Viele der schlimmsten Dinge geschehen da, wo Leute als Fremde betrachtet werden. Heute kann man zeigen: Wir alle teilen 99,9 Prozent unserer Erbgutes. Ja, ich kenne mich aus mit Familienfehden, ich habe drei Söhne, und ich sehe, wie die sich in die Haare kriegen können. Aber alles in allem haben wir etwas, das mein Cousin, ein politischer Denker in Harvard, einmal Familien-Heuristik genannt hat, eine familiäre Befangenheit: wir behandeln Familienangehörige ein bisschen besser als Fremde.

Haben Sie besonders viel Familiensinn?

Ich liebe meine Familie, aber ich denke auch, es ist ein idealer Zeitpunkt, um über Familie an sich nachzudenken. Die Familie hat sich in den letzten zwanzig Jahren mehr verändert als im letzten Jahrhundert. Wir haben die Homosexuellen-Ehe, in Großbritannien wurden gerade Embryos mit drei Eltern legalisiert. Interessante Zeiten. Ich begrüße das; eine Erweiterung des Konzepts Familie ist eine gute Sache, auch wenn viele Konservative dagegen sind.

Aber wenn die Biologie immer weniger eine Rolle spielt für unsere familiären Beziehungen, wenn die Reproduktion nicht mehr an Familien im herkömmlichen Sinne hängt: Was macht Genealogie dann heute so faszinierend?

Das genau ist der Punkt. Mit Erbgutanalysen können wir immer genauere Aussagen treffen - und gleichzeitig bewegen wir uns kulturell weg von einer biologischen Definition von Familie. Aber ich spüre, dass Leute fasziniert sind von ihren Vorfahren. Das hat mit dem Sinn für Identität zu tun. In dieser befremdlichen Welt möchte man sich seiner Wurzeln vergewissern. Und es ist so viel einfacher geworden, Genealogie zu betreiben; früher musste man irgendwo in die Archive, jetzt geht man online.

Auf Ihrer Website wird man aufgefordert, Ihre Rechner mit den Namen und Lebensdaten seiner Groß- und Urgroßeltern zu füttern, und Sie versprechen den Nachweis, dass man ein Vetter der amerikanischen Schlagersängerin Beyoncé ist. Sie würden von mir deutsche Namen bekommen, von einem Chinesen chinesische: Kann es sein, dass Sie da zum Teil bis zu Adam und Eva zurückmüssen?

Es gibt zwei Wege, auf denen wir alle Vettern sind. Der eine ist, dass wir alle von denselben ersten Menschen von vor 125 000 Jahren abstammen. Der andere Weg geht über das Heiraten. Aus Blutlinien und Ehen ergibt sich das Netz. Deshalb kann ich sagen, Barack Obama ist der Neffe siebten Grades der Ehefrau des Bruders des Ehemannes meiner Tante fünften Grades.

Wow.

Ja. Wir sind praktisch Brüder.

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