Brexit-Kolumne:Männer mit Seitenscheitel, die immer noch vom Imperium träumen

Brexitkolumne

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Tory-Männer wie Jacob Rees-Mogg waren in Großbritanniens Politik stets unterhaltsame Kuriositäten. Nun geben sie die Regierungslinie vor.

Brexit-Kolumne von Alexander Menden, London

Der Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg ist in vielerlei Hinsicht das, was sich manche Deutsche unter einem "typischen Engländer" vorstellen. Er ist der Sohn eines ehemaligen Times-Herausgebers, war in Eton auf der Schule, in Oxford an der Uni und trägt Zweireiher zum Seitenscheitel. Persönlich wirkt er ein bisschen verklemmt, hat makellose Manieren, wirkt auf distanziert-bebrillte Art nett. Der Doppelname signalisiert nicht wie in Deutschland Gleichberechtigung zwischen Ehepartnern einer bestimmten Generation, sondern Zugehörigkeit zur gehobenen Gesellschaft (seinem eigenen jüngsten Sohn gab er vergangenes Jahr die Vornamen Alfred Wulfric Leyson Pius).

Viele schöne Anekdoten sind über Jacob Rees-Mogg im Umlauf, die in scheinbar harmloser Weise alle Vorstellungen über exzentrische Upper-Class-Briten untermauern. Die populärste geht so: Der junge Rees-Mogg kandidiert 1997 erstmals für ein Westminster-Mandat, und zwar im schottischen Fife. Die Flugblätter verteilt er vom Bentley aus. Dabei steht ihm nicht etwa ein Parteifreund zur Seite, sondern sein Kindermädchen, eine Frau, die ihn, wie er gern sagt, zu dem Mann machte, der er heute ist. Als sich ein paar Leute belustigt zeigen über diese Art, Volksnähe zu beweisen, beschwert er sich: "Das ist nicht fair. Sie hätten niemals gelacht, wenn ich meinen Butler mitgenommen hätte!"

Ein Mann wie aus einem P. G.-Wodehouse-Roman, ein young fogey, der gern in Comedy-Shows eingeladen wird, weil er lustig und trügerisch harmlos wirkt. Solche Figuren haben die politische Szene in Großbritannien immer atmosphärisch angereichert, als Randerscheinungen, unterhaltsame Kuriositäten. Wie so vieles hat sich auch das seit dem EU-Referendum geändert. Seitdem sind Hinterbänkler wie Jacob Rees-Mogg obenauf. Sie prägen mit ihrer Weltsicht die Regierungslinie, während die meisten ihrer Parteikollegen, die prinzipiell EU-freundlich sind, wie verschreckte Kaninchen im Scheinwerferlicht des heranbrausenden Brexit-Lasters kauern.

Denn die Kehrseite der von Rees-Mogg verkörperten Form aristokratischer Exzentrik ist oft eine ziemlich reaktionäre Geisteshaltung, eine Weltsicht, geprägt von der nostalgischen Idee des englischen Exzeptionalismus. Ihre Anhänger haben all die vermeintlichen Gewissheiten über die englische Sonderrolle in der Welt komplett verinnerlicht, und glauben fest an Cecil Rhodes' Aphorismus, Engländer zu sein, heiße, "den ersten Preis in der Lotterie des Lebens gewonnen zu haben". Ihre gespaltene Haltung zur Gegenwart entspringt einem seltsamen Dilemma - dem Selbstbild als großartigste Nation der Welt, als Herz eines Imperiums, und dessen Unvereinbarkeit mit der geschrumpften Rolle und Bedeutung dieser Nation.

Durch die Hintertür, fürchten stolze Briten, soll ein Europäischer Superstaat etabliert werden

Der Ausstieg aus der Europäischen Union erscheint Politikern wie Jacob Rees-Mogg als Allheilmittel für die Malaisen des Vereinigten Königreiches. Seit Jahren wettert er - ohne äußerlich je die Contenance zu verlieren - gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die es den Briten verbiete, Terroristen auszuweisen. Er hat immer und immer wieder beklagt, dass durch die Freizügigkeit für Personen innerhalb der EU die Einwanderungszahlen "völlig außer Kontrolle" geraten seien, durch die Hintertür solle ein Europäischer Superstaat etabliert werden. Und das "zum Nachteil anderer befreundeter Nationen, besonders aus dem Commonwealth", deren Beitrag zum britischen "Gesamtwohl womöglich bedeutender" sei. Allesamt Positionen übrigens, die von denen der UK Independence Party ununterscheidbar sind.

Jacob Rees-Mogg wird immer öfter in politischen Sendungen nach seiner Einschätzung der Lage der Nation gefragt. Aber natürlich wird man ihn auch weiterhin zu Comedy-Shows einladen. Und wenn es nur wäre, um seine offizielle Richtigstellung der Kindermädchen-Story zum Besten zu geben: "Ich war nicht mit dem Bentley unterwegs, das wäre ja absurd. Es war ein Mercedes."

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