Bosse im Interview:"Als guter Typ steht man in der Pflicht, sich zu äußern"

Rock- und Popkonzerte im März - Bosse

Mit Demut auf Platz eins der Charts: Axel Bosse.

(Foto: dpa)

Mit seiner Platte "Engtanz" hat es Axel Bosse auf Platz eins der Charts geschafft. Trotzdem bleibt er demütig, Auch wenn er hin und wieder den Mund aufmachen muss.

Interview von Bernhard Blöchl

Auf Axel Bosse können sich gerade viele einigen. Der chronisch sympathische Musiker aus Niedersachsen schreibt offenherzige Songs über die Launen des Lebens. Er ist freundlich, dankbar und setzt sich für Flüchtlingshilfe ein. Netter geht nicht. Ein Erfolgsprinzip in Zeiten wie diesen: Mit seinem sechsten, wuchtig arrangierten Album "Engtanz" hat er erstmals Platz 1 der deutschen Charts erreicht. Im März tourt Bosse mit seiner Band durch Deutschland. Ein Gespräch über die Macht der Liebe, Demut im Business und den Adrenalin-Kick von Drittligafußballern.

SZ: Sie haben bei einem Konzert für Flüchtlingshelfer in München gespielt und sich auch nach dem Benefiz-Open-Air immer wieder gegen Stimmungsmache gegen Flüchtlinge ausgesprochen. Hilft das?

Axel Bosse: Das Hauptproblem ist: Es gibt einfach wirklich ein paar dumme Menschen. Die gibt es überall. Und wenn Panikmache passiert, dann sind diese dummen gemeinen Menschen besonders laut. Als guter Typ steht man in der Pflicht, sich zu äußern. Gerade wenn man in der Öffentlichkeit steht, muss man jede Chance nutzen, um allen zu sagen, wie man das sieht. Weil es helfen und zur Diskussion anregen kann.

Ihre Songs sind voller Wärme und Empathie. Kann man Hass und Ignoranz mit gnadenloser Liebe erdrücken?

Das ist sicherlich sehr romantisch gedacht, aber ein Stück weit glaube ich daran. Ich glaube wirklich, dass man mit einem guten Text, oder anders gesagt: mit einer großen Portion Liebe, die Leuten anregen kann. Das ist eine Chance! Die Traumvorstellung wäre, dass irgendein Vollidiot einen Song hört und deswegen seine Meinung ändert.

Im deutschen Pop gelten Sie als der offenherzige Supernette. Wie stehen Sie dazu?

Ich finde ja, jeder sollte so sein, wie er ist. Dass ich jetzt nicht der studentische Indie-Popper bin, war mir schon immer klar. Dass ich auch kein David-Bowie-Charisma habe, ist mir auch klar. Aber ich freue mich wirklich oft über Sachen, die ich machen kann, weil ich meinem Beruf demütig gegenüberstehe. Weil ich mein Hobby und meine Leidenschaft zum Beruf gemacht habe.

Vielen Menschen fehlt diese Demut. Wann haben Sie gelernt, dem Leben so dankbar zu begegnen?

Demut meinem Beruf gegenüber habe ich ziemlich früh mitgekriegt: an dem Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass ich irgendwie Fuß fasse. Und dass es Leute gibt, die sich dafür interessieren, die dazu tanzen. Man hat sich in den Sprinter gesetzt und ist rumgefahren, und es kam erst mal keiner. Viele Bands haben so angefangen. Früher oder später, bei uns so etwa nach sechs Jahren, fing es an, gut zu werden. Gut im Sinne von: Krass, in München kommen jetzt 100 Leute, und in Wuppertal aber auch 160! Das war der Punkt. Jetzt haben wir einen Lkw und einen Bus, wir sind 23 Leute, und die Tour ist ausverkauft. Da bin ich wirklich demütig. Man sollte nie dahin kommen, dass man das als so selbstverständlich betrachtet wie Zähneputzen.

Früher Roadie, heute Frontmann

Alles andere als selbstverständlich ist eine Nummer 1 in den Album-Charts. "Engtanz", so heißt Ihre neue Platte, ist sehr wuchtig arrangiert: mit Streichern, Trompeten und Gästen wie dem Berliner Kneipenchor und dem Rapper Caspar. Warum der ganze Pomp?

Wir hatten da wirklich Bock drauf! Am Ende haben wir viel wegnehmen müssen, weil der schwedische Mischer gesagt hat, dass wir die größten Vollidioten sind und dass man das einfach nicht mehr mischen kann. Trotzdem hätten wir Bock gehabt, es noch monströser zu machen. Ich hatte Lust auf Kante. So wenig Coldplay, wie nur geht - und viel Arcade Fire. Wenn mit Streichern, dann mit viel Hall, schäbig aufgenommen.

Sie waren früher Roadie. Wie Thees Uhlmann, ihr Kollege aus Niedersachsen, der vor vielen Jahren bei Tocotronic auch als Roadie angefangen hat. Vom Backliner zum Frontmann - ist das ein aussichtsreicher Weg?

Ich kenne ganz viele, die gearbeitet haben, um ihre Musik zu machen. Backliner gab es nicht so viele, weil es zunächst einmal nicht so ein mega-angenehmer Beruf ist. Man muss wirklich Bock haben zu touren. Ich hatte das eigentlich immer. Ich kenne aber auch viele, die lieber im Café gearbeitet haben. Das habe ich allerdings auch gemacht, wenn grad keine Tour war.

Touren ist das eine, Schreiben das andere. Wie empfinden Sie die beiden Pole Ihrer Arbeit: die Live-Energie auf der Bühne auf der einen Seite, den Rückzug und das Alleinsein auf der anderen Seite?

Ich finde beide total gut, vor allem wenn es sich abwechselt. Ich werde verrückt, wenn ich nur Texte schreibe. Ich sitze dann im Trainingsanzug im Keller, und alle sind am See oder im Urlaub. Ich mache das ja alles immer für mich allein, schon seit Jahren. Irgendwann komme ich mir so asozial vor und auch hilflos. Und dann fehlt mir diese Energie. Auch das Adrenalin. Das ist für mich auch der Grund, warum Drittligafußballer immer pokerabhängig werden.

Wie meinen Sie das?

Na, da können sie zumindest übers Internet ihre Kohle verballern und haben noch diesen Adrenalin-Kick. So geht es mir manchmal auch. Dann freue ich mich umso mehr auf die Tour, die jetzt kommt. Nach dem 100. Konzert sagt dann der Körper wieder Hallo, und dann muss ich langsam wieder zurück in meinen Keller. Das eine ist komplett psychisch, das andere komplett physisch. Das Touren kommt mir immer vor wie Urlaub mit ein bisschen Sport.

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