Borstentiere in der Kultur:Einmal Schwein sein

Ein Jahr nach Aufkommen der Schweinegrippe bekommt das Borstenvieh in Stuttgart ein eigenes Museum. Zu Recht. Eine kleine Kulturgeschichte dieses in Verruf geratenen Tieres. In Bildern.

Katharina Riehl

9 Bilder

Schwein, ddp

Quelle: SZ

1 / 9

Ein Jahr nach Aufkommen der Schweinegrippe widmet Stuttgart den Rüsseltieren nun ein ganzes Museum. Zu Recht. Eine kleine Kulturgeschichte eines in Verruf geratenen Tieres. In Bildern.

Kann denn Rüssel Sünde sein? Seitdem im vergangen Jahr die Schweinegrippe zur Seuche des Jahres erkoren und Deutschland zur Impfnadel gebeten wurde, denken die meisten beim Anblick eines so samtweichen Näschens wohl vor allem an die schrecklichen Erreger, die auf diesem Riecher wohnen könnten.

Doch jetzt - endlich - widerfährt dem grunzenden Tier Gerechtigkeit: An diesem Wochenende wurde in Stuttgart das weltgrößte Schweinemuseum eröffnet, im alten Schlachthof wird dem Tier in allen denkbaren Formen und Materialien ein Denkmal gesetzt.

Anlass genug an dieser (zu 100 Prozent keimfreien) Stelle, ein Tier zu würdigen, das in unserer Kultur so verwurzelt ist wie kaum ein anderes: Wer kann sonst von sich behaupten...

Texte: Katharina Riehl/sueddeutsche.de/bgr/ Foto: ddp

Schwein, oh

Quelle: SZ

2 / 9

... für so viele Redewendungen herhalten zu müssen wie das Schwein, das Ferkel, die Sau. Hier alle Variationen aufzuzählen würde zu weit führen, so soll - quasi stellvertretend - an den DDR-Hymnen-Dichter Johannes R. Becher erinnert werden. Der soll an einem heißen Sommertag im Jahr 1951 die an der Ostsee nackt im Sand liegende Schriftstellerin Anna Seghers rüde angesprochen haben: "Schämen Sie sich nicht, Sie alte Sau?", fragte Becher. Nur ein paar Monate später trafen sie sich - diesmal beide voll bekleidet - wieder: Becher wollte Seghers den Nationalpreis erster Klasse an die Brust heften und streckte ihr die Hand entgegen. "Liebe Anna", sagte er, "darf ich dir...", als ihm Frau Seghers ins Wort fiel: "Für dich, Hans, immer noch die alte Sau."

Doch nicht nur im Alltag ist das Schwein tief verwurzelt...

Foto: oh

Schweine, getty

Quelle: SZ

3 / 9

...auch in der Musik tauchen die rosaroten Tiere auf. Berühmtestes Beispiel ist Pink Floyds Album Animals. Das Cover ziert ein fliegendes Schwein, die Platte selbst teilt die Tierwelt in drei Kategorien: Die Hunde werden als Anführer klassifiziert, die Schafe bilden die dämliche Masse. Die Schweine spielen sich als Moralapostel auf und lassen es selbst am heftigsten krachen mit den - na was? - Schweinereien.

Doch besonders des Schweins angenommen haben sich Literatur und Film, wo das Tier ganz nach den jeweiligen Bedürfnissen eingesetzt wird: Ziemlich genau vier Schweinetypen lassen sich hier ausmachen:

Foto: Fliegende Schweine, getty

Schwein, dpa

Quelle: SZ

4 / 9

a) Die fiese Sau: Bekanntestes Beispiel hierfür ist George Orwells Revolutionsfabel Farm der Tiere, in der die Schweine ihre Mitleider auf dem Bauernhof erst zum Widerstand gegen die menschliche Übermacht anstacheln, um sich am Ende selbst auf den Thron zu setzen und ihrerseits die tierischen Kollegen zu knechten. Was für Schweine!

Foto: dpa

Ein Schweinchen namens Babe

Quelle: SZ

5 / 9

b) Das menschliche Schwein: Hauptvertreter dieser Kategorie ist das putzige Schweinchen Babe, das uns im Jahr 1995 in den Kinos beglückte und sich durch unverhoffte Fähigkeiten im Schafehüten dem Hackebeil von Farmer Hoggett entzog. Letztlich überlebte Babe aber natürlich aus einem ganz anderen Grund: Weil es fühlen und sprechen konnte wie ein Mensch: "Darf ich Mama zu dir sagen?", fragte Babe die Hündin Fly. Leider gibt es keine verlässlichen Zahlen zu der Frage, wie viele Mädchen zwischen vier und 14 in diesem Moment dem Hinterschinken für immer abgeschworen haben.

Foto: Verleih

Schwein, ddp

Quelle: SZ

6 / 9

c) Das kostümierte Schwein Nicht nur vermenschlicht wurde das Schwein in der Kulturgeschichte immer wieder. Während sich das Exemplar hier im Bild ganz offensichtlich als Kuh verkleidet hat, bemalt der Kinderbuchautor Janosch ein kleines Schwein mit Tigerstreifen: Die Kinder einer Schweinefamilie wollen keinen neuen Bruder, erst als der Vater ihnen den Tigerbruder präsentiert, sind sie bereit diesen zu akzeptieren. Das geht so lange gut, bis der falsche Tiger in eine Schlammpfütze gerät und sich - im Herzen doch ein Schwein - zu suhlen beginnt.

Foto: ddp

Schwein, Asterix

Quelle: SZ

7 / 9

d) Das Schwein-Schwein Die traurige Wahrheit ist: In Literatur und Film ist ein Schwein nur dann wirklich ein Schwein, wenn es auf den Tisch kommt. Wenn Asterix also "zwei Wildschweine" für sich und seinen Kumpel Obelix beim Wirt ordert und Obelix hinzufügt: "Für mich auch zwei, bitte" - dann ist das Schwein ganz bei sich. Denn seien wir mal ehrlich, ...

Foto: Verleih

Schwein, Bifi, dpa

Quelle: SZ

8 / 9

...so niedlich wir die rosa Rüsselschnuten auch finden mögen: In einer kleinen Kulturgeschichte des Schweines darf nicht unterschlagen werden, dass die meisten Schweinefreunde (und das übrigens schon seit der Antike) mit dem Tier eher in dieser Form in Kontakt treten: gewürzt und verschweißt - und alle Anzeichen von Schweinegrippe hundertprozentig rausgeräuchert. Aber zum versöhnlichen Abschluss, ...

Foto: dpa

Schweinebabys, Robert Haas

Quelle: SZ

9 / 9

...damit es nicht so traurig endet (und wir einen Grund haben, auch noch dieses Bild unterzubringen), hier nochmal ein paar küssende Wildschweinbabys zum Liebhaben.

Foto: Robert Haas

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: