Blockbuster-Kino:Viele Regisseure verderben den Helden-Brei

Der Blockbuster "Justice League" zeigt, wie in Hollywood teure Filme mit Vorsatz in den Sand gesetzt werden.

Von David Steinitz

Beginnen wir diese Odyssee in die Untiefen des amerikanischen Filmgeschäfts mit einem kleinen Test. Dabei lässt sich durch eine einzige Frage feststellen, ob Sie über die Entscheidungskompetenz eines Hollywoodproduzenten verfügen. Angenommen, auf Ihrem Konto lägen etwa 250 Millionen Dollar, und Sie wären gewillt, diese Summe in einen Blockbuster zu investieren. Engagieren Sie für die Umsetzung des Films:

a) einen guten Regisseur?

b) einen schlechten Regisseur?

Die richtige Antwort im Hollywood des Jahres 2017 lautet selbstverständlich b): Sie engagieren einen schlechten Regisseur.

Die letzten beiden Filme von Zack Snyder waren so blöd, dass klar war, wie es kommen musste

Anders ist es zumindest nicht zu erklären, dass das Studio Warner Brothers für sein Superheldenspektakel "Justice League", das seit dieser Woche im Kino läuft, Zack Snyder rekrutiert hat. Einen Mann, der seit Jahren sehr erfolgreich beweist, dass er keine guten Filme drehen kann. Die Werke des 51-Jährigen sehen aus, als hätte sie eine wiedergeborene Leni Riefenstahl auf Speed gedreht: Überzüchtete Hollywoodstars bewundern ihre eingeölten Muskeln im Gegenlicht und liefern sich dann pathetische Wettkämpfe, mal in Zeitlupe, mal im Zeitraffer. Allein die letzten beiden Snyder-Orgien - "Man of Steel" und "Batman v. Superman" - waren so generalverblödet, dass die Verantwortlichen bei Warner nicht behaupten können, sie hätten nicht gewusst, auf was sie sich bei diesem Künstler wieder einlassen.

Aber nun das: In "Justice League" versammeln sich diverse Superhelden aus dem DC-Comic-Universum - unter anderem Batman, Superman, Wonder Woman und, äh, Aquaman - um gegen einen Schurken namens Steppenwolf zu kämpfen. Der sieht so aus, als hätte ein betrunkener Praktikant im CGI-Labor versucht, einen Ork zu animieren. Überhaupt wirken viele Spezialeffekte so, als seien irgendwo im Digitalarchiv noch ein paar Pixelreste übrig geblieben, die dringend mal verwurstet werden mussten.

Die Geschichte von der Superhelden-Liga, die sich zusammenschließt, um die Welt zu retten, hat man in den letzten Jahren schon so oft im Kino gesehen, dass man über die Dreistigkeit der Macher, dem alten Muster wirklich überhaupt nichts Neues hinzuzufügen, wirklich nur staunen kann. Amerikanische Kritiker haben für dieses "Und täglich grüßt das Murmeltier"-Gefühl schon vor Jahren den schönen Begriff der "Franchise-Fatigue" erfunden, der großen Müdigkeit angesichts der endlosen Superhelden-Fließbandproduktion.

Und die Schauspieler, die doch eigentlich versierte Leinwandkünstler sind? Scheitern an Dialogen und Szenen, die in völliger Abwesenheit eines Drehbuchautors erdacht worden sein müssen. Ben Affleck wirkt in seinem Batman-Kostüm mindestens so unglücklich deplatziert wie einst George Clooney in "Batman & Robin", jener Superheldentravestie von 1997, für die sich alle Beteiligten bis heute schämen. Und die arme Gal Gadot, die vor ein paar Monaten und unter anderer Regie noch als "Wonder Woman" auf wunderbarer Solotour unterwegs war, selbstbewusst und selbstironisch, ist hauptsächlich damit beschäftigt, ihren Hintern in die Kamera zu halten, um das Desaster drumherum zu kaschieren; zugegebenermaßen ein sehr schöner Hintern, aber über zwei Stunden doch etwas monoton.

Das Tragische an "Justice League" ist, dass es sich bei diesem Film nicht einfach um einen künstlerischen Ausrutscher handelt. Sondern dass die Produktionsgeschichte ein Musterbeispiel dafür ist, wie in Hollywood derzeit regelmäßig Millionensummen verbrannt und Filme vorsätzlich in den Sand gesetzt werden. Die Blockbuster sind mittlerweile so teuer geworden und kosten so viel im Marketing, dass sie ein Vielfaches ihres Budgets einspielen müssen, um bei einem Hollywoodstudio auf der Habenseite notiert zu werden. Ein irrer Apparat an Mitarbeitern, um alles vom Drehbuch bis zum Filmplakat umzusetzen, muss ja auch bezahlt werden.

Ein teurer Nachdreh kostete 25 Millionen Dollar, dazu kam noch die Schnurrbart-Affäre

Die Branchenzeitschrift Variety hat das am Beispiel "Justice League" durchgerechnet. Der Film hat ein Produktionsbudget von etwa 250 Millionen Dollar, hinzu kommen Marketing- und Distributionskosten in einer ähnlichen Höhe, plus die laufenden Betriebskosten. Um auch nur ansatzweise Gewinn abzuwerfen, müssen am weltweiten Kino-Boxoffice mindestens 600 Millionen Dollar erwirtschaftet werden - und auch dann würde der Film noch nicht als Hit gelten.

Eigentlich ist die heimliche Hoffnung bei Projekten dieser Größenordnung mittlerweile immer, dass sie die Milliarden-Dollar-Einnahmemarke knacken, wie es das Disney-Studio regelmäßig schafft, zum Beispiel mit "Star Wars: Rogue One", "Captain America: Civil War" oder "Die Schöne und das Biest".

Plötzlich sollte "Justice League" ein bisschen mehr wie "Wonder Woman" werden

Aber die dafür notwendige Zuschauermasse kann man nun nur im breitesten Mainstream abgreifen. Das hat zur Folge, dass der künstlerische Wagemut hinter diesen logistischen Großprojekten längst auf Amöbengröße geschrumpft ist: Die Produzenten wollen es möglichst allen recht machen, damit genügend Zuschauer kommen, um die Gewinnerwartungen zu erfüllen. Diese Furcht sicherte Zack Snyder seinen Job. Die beiden Superheldenfilme, die er bislang für Warner gemacht hat, wurden zwar übel verrissen und auch von Comic-Fans leidenschaftlich gehasst. Aber in der monetären Bilanz waren sie gerade so weit über dem Flop-Level, dass man ihn nach dem Sicher-ist-sicher-Prinzip doch wieder engagierte.

Und dann wurde es chaotisch. Als "Justice League" in diesem Frühjahr schon fast fertig gedreht war, starb überraschend die Tochter des Regisseurs, der sich daraufhin aus dem Projekt zurückziehen wollte, um sich um seine Familie zu kümmern. Ein verständlicher Schritt, der aber beim Warner-Studio zu hektischem Aktionismus führte. Um die Dreharbeiten zu Ende zu führen und die Postproduktion zu leiten, wurde der erfahrene Blockbuster-Veteran Joss Whedon geholt. Der hat mit den beiden "Avengers"-Filmen dem Warner-Konkurrenten Marvel im Superheldengenre schon zwei große Hits beschert. Die Anfangsidee war, dass Whedon quasi als stilles Blockbuster-Heinzelmännchen den Film in Snyders Sinn - sprich in dessen Stil - zu Ende führt.

Dann aber kam im Frühsommer die Warner-Produktion "Wonder Woman" ins Kino, mit der die Regisseurin Patty Jenkins dem Studio einen Superhelden-Hit bei den Kritikern und an der Kinokasse bescherte. In der Folge musste Joss Whedon für "Justice League" einen Nachdreh für 25 Millionen Dollar anberaumen, um den Film weg vom Snyder-Stil und mehr zum "Wonder Woman"-Charme hinzuinszenieren, denn: Sicher ist sicher.

Die "Schnurrbart-Affäre" hat den Nachdreh bestimmt nicht billiger gemacht

Whedon schrieb neue Szenen, vor allem für die Wonder-Woman-Darstellerin Gal Gadot. Laut einem der Produzenten, Chuck Roven, stammen etwa 15 Prozent des fertigen Films aus diesem Nachdreh. Aber auch im Schneideraum wurde wohl sehr eifrig daran gearbeitet, die ursprünglich von Snyder anvisierte Vision zu tilgen und auf Teufel komm raus aus dem Material etwas anderes zu machen. Tragikomischer Tiefpunkt dieser Nachbesserungsarbeiten wurde ein Streit um den Superman-Darsteller Henry Cavill. Der stand längst für ein anderes Filmstudio vor der Kamera, in einer Rolle, für die er sich einen Schnurrbart hatte wachsen lassen. Vertraglich durfte er sich den nicht abrasieren, musste aber trotzdem noch mal für Superman-Szenen ran, weshalb der Schnurrbart digital retuschiert werden musste, was den Nachdreh vermutlich nicht billiger gemacht hat.

Dass man mit einem solchen Herumgepansche aber nicht nur kein Meisterwerk, sondern eigentlich überhaupt kein Werk kreieren kann, dafür ist "Justice League" nun der traurige Beweis.

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