BitTorrent-Verfahren zum Datei-Download:Die Tortur der Bits

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Ein neues Verfahren - und der Datenklau geht munter weiter: Wie im Internet mit BitTorrent Hase und Igel mit der Industrie gespielt wird.

KLAUS LÜBER

Computer rechnen immer schneller und können immer mehr speichern. Handys organisieren unseren Alltag und, ja doch, man kann immer noch mit ihnen telefonieren. Riesige Plasma-Screens verschandeln den öffentlichen Raum wie giftige Pilze den Waldboden. Überall funkt es eigenmächtig, zeigt rasend schnelle Bilder und spuckt überflüssige Töne - allerorten. Was könnte man nicht alles mit diesen Geräten anstellen! Statt dessen: bekloppte Klingelton-Frösche, seichte Charthits und überflüssige Werbung. Man kann das Geflimmer-Gewimmer nur erdulden. Es sei denn, man weiß, den blühenden Gerätepark intelligent für sich zu nutzen.

Vielleicht kann uns ein Leser schreiben, was hier mit "ja" oder "nein" zu beantworten ist. Wir haben das Bild bei unserern Recherchen zu bitTorrent gefunden - und können uns keinen Reim, darauf machen. (Hoffentlich nichts Unanständiges!) (Foto: N/A)

Es gibt eine wachsende Spezies von zumeist jugendlichen Technik-Avantgardisten, die der Jargon bereits als die "early adopters" bezeichnet. Sie kennen sich aus und wissen jetzt schon, was morgen erst gespielt wird. Sie haben, so sagt man, den Wechsel vom "Consumer" zum "Prosumer" vollzogen und jonglieren souverän mit allen digitalisierbaren Inhalten, ganz gleich, ob es sich um neue Pop-Alben, Hollywood-Blockbuster oder TV-Serien handelt. Was sich in Bits umwandeln lässt, wird heruntergeladen, manipuliert und wiederum anderen Interessierten angeboten.

Eine aktuelle Umfrage des US-Forschungsinstituts TechnoMetrica zum Radio-Hörverhalten amerikanischer Jugendlicher etwa ergab: Jeder dritte Jugendliche zwischen 18 und 24 Jahren nutzt heute das Internet und nicht mehr das Radio, um Musik zu hören. Denn im Unterschied zum oft als eintönig empfundenen Angebot klassischer Sende-Anstalten finden Musikinteressierte im Web eine riesige Auswahl auf die verschiedensten Sparten spezialisierte Angebote, die rund um die Uhr senden. Professionelle Anbieter finden sich darunter. Aber gerade auch solche, die eigene, experimentelle Produktionen im Stil von Piratenradios ins Netz strömen lassen. Der iPod, inzwischen auch das beliebteste Abspielgerät für solche Hörfunk-Perlen, hat dieser Praxis schon einen Namen geliehen: "Podcasting" nennt man den Sender-Eigenbau per Player.

Die Verfahren zur Suche nach neuen Inhalten werden immer raffinierter. Wer die neuesten Hollywood-Blockbuster sehen möchte oder auf die nächste Staffel seiner Lieblingsserie hinfiebert, muss heute heute nicht mehr auf Kinostart, DVD-Veröffentlichung oder TV-Premiere warten. Auch hier liefert das Netz die begehrten Inhalte. So macht gerade ein neues Verfahren von sich reden, das sich "BitTorrent", zu deutsch "Daten-Sturzbach" nennt. Klickt man einen als "torrent"-Datei angebotenen Blockbuster wie "Sin City" an, sammelt ein auf dem eigenen Rechner installiertes Programm Teile des angewählten Films von anderen Nutzer-Rechnern ein, die im Augenblick dabei sind, genau diesen Film herunterzuladen. Man lädt die Ladung. So kommt es zum wundersamen Effekt, dass sich der Bruce-Willis-Thriller umso schneller herunterlädt, je mehr User im selben Augenblick darauf zugreifen. Riesige Datenmengen, wie etwa die komplette, gerade erst angelaufene Spielberg-Serie "Taken", werden so gleichzeitig bewegt und problemlos von unzähligen Nutzern en bloc gespeichert.

Dass die meisten der auf Torrent-Seiten wie "Pirate Bay" angebotenen Filme illegal dort hingelangt sind und auch illegal kopiert werden, scheint die Mehrzahl der User nicht zu stören. Zu Hochzeiten macht die Taucherei in diesem Datenmeer schon jetzt ein Drittel des gesamten Internetverkehrs aus, wie der britische Webdienstleister "CacheLogic" berichtet. Die meisten Kopisten fühlen sich sicher, schließlich sind an dieser Datenschieberei ja Tausende von Usern gleichzeitig beteiligt. Und die Copyright-Klagen verfangen sich im dezentralen Tausch-Netz der Konsumenten.

Die Vertreter der Entertainment-Industrie wie die amerikanische RIAA ( Recording Industry Association of America) und MPAA (Motion Picture Association of America) kämpfen erbittert gegen den Datensturzbach. Im Mai etwa wurde die Website www.elitetorrents.org von den US-Behörden geschlossen. Vor blutrotem Hintergrund prangt dort seither das Banner der US-Homeland-Security. Der Erfolg solcher Abschreckungsmaßnahmen ist jedoch zweifelhaft. Wie man aus der Geschichte der Musiktauschbörsen weiß: Die Gegenwehr der Industrie kommt meistens zu spät.

Seit die erste Tauschbörse Napster 1999 ins Netz ging, liefert sich die Entertainment-Industrie ein furioses Hase-und-Igel-Rennen mit den kopierfreudigen Konsumenten. Als der Dienst 2001 auf gerichtlichen Druck hin damit begann, nur noch legale Inhalte anzubieten, standen schon bereits mehrere alternative Tauschmaschinen mit noch mehr illegalen Inhalten zur Verfügung. Gnutella und Kazaa, sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke wuchsen nach, die, anders als Napster, ohne einen angreifbaren, zentralen Server auskamen, der die Tauschgeschäfte managte. Das machte es schwerer, den Datenklau eindeutig mit einem Nutzer zu identifizieren. Der Hase hechelte wieder einmal hinterher.

Doch das neueste BitTorrent ist nicht nur Teufelswerk. So besteht ja auch die Möglichkeit, eigene Videoproduktionen im BitTorrent-Netz zu veröffentlichen. Und die wird genutzt. Netzexperten wie Mario Sixtus raunen bereits vom Ende des Fernsehens als Broadcasting-Medium. "Auf dem Menü der Flimmerkiste von morgen könnten die Werke von Amateur- und Hobby-Videoproduzenten direkt neben Spielfilmen aus dem Kabel und Serien aus dem Netz liegen."

Das ist durchaus attraktiv. Denn digitalisiert gespeicherte Fernsehbilder lassen sich leicht manipulieren. Mit der Open-Source-Software "mythTV" lassen sich etwa lästige Reklameblöcke mühelos löschen - noch bevor man sie anschauen musste. Ein Trick, der den so genannt PVRs, den Festplattenrekordern, abgeschaut ist, die mit ihrer "skip commercial"-Funktion gerade das werbefinanzierte Privatfernsehen in Angst und Schrecken versetzen. Die ungleiche Jagd geht also weiter.

© SZ v. 17.06.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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