Biographie eines Millionärs:"Die Welt besteht nicht nur aus Toiletten"

"Aus dem Jungen wird nie was", bekam Hans Wall von seinem Vater zu hören. Inzwischen weiß der Millionär, dass Geld stinken darf. Hans im Glück.

Rupert Sommer

Hans Wall, 67, ist Aufsichtsratschef der von ihm gegründeten Wall AG. Das Unternehmen machte 2007 einen Jahresumsatz von 150 Millionen Euro und beschäftigte circa 700 Mitarbeiter. Die Wall AG bietet Städten individuell konzipierte Stadtmöbel (z.B. Schaukästen, Vitrinen, auch Toiletten) kostenlos an, die sie installiert, reinigt und wartet. Die Refinanzierung erfolgt durch die Vermarktung von Werbeflächen. Diese sind entweder in die Stadtmöbel integriert oder freistehend. Nun schrieb der 68-Jährige seine Lebenserinnerungen. Weil er die Hauptschule mit schlechten Noten abschloss, bekam er vom Vater zu hören: "Aus dem Jungen wird nie was . . ." Das Urteil wurde zum Titel seiner bei Heyne erschienenen Biographie, die den Aufstieg des Jungen zum Millionär beschreibt. Mitte September wurde Wall vom französischen Konkurrenten JCDecaux übernommen.

SZ: Herr Wall, warum haben Sie ein Bekenntnisbuch geschrieben?

Hans Wall: Ich wollte gerade jetzt junge Leute darauf hinweisen, dass wir in einem tollen Land leben, in dem der Erfolg nicht vom Geld, von den Privilegien oder vom Bildungsgrad abhängt, sondern ganz allein von guten Ideen.

SZ: Weil Sie das vor 50 Jahren selbst nicht hatten? Ist lange her.

Wall: Ich hatte immer sehr durchschnittliche Noten und kein Abitur. Mit Mühe schaffte ich die Mittlere Reife und auch nur zwei Semester als Maschinenbautechniker. Trotzdem habe ich es hingekriegt. In jungen Leuten stecken viele Fähigkeiten. Mich ärgert es immer, wenn ich die Bedenkenträger höre, die von schwierigen Zeiten reden.

SZ: Den Titel, Aus dem Jungen wird nie was, muss man ironisch verstehen oder rechnen Sie doch auch mit dem Vater ab, der Sie nicht unterstützt hat?

Wall: Den Spruch hörte ich jeden Tag von meinem Vater. Der war ein strenger Ostpreuße - für den gab es nur gute Noten. Wer die nicht hatte, war ein Taugenichts! Ich habe aber schnell gemerkt: Ich kann ja was. Mit dem Erfolg erwacht der Ehrgeiz.

SZ: Wie kamen Sie zur Werbung?

Wall: Ein reiner Zufall. Ich saß in einer Wartehalle in Karlsruhe, da stand auf einer Werbetafel: "Wenn's ums Geld geht - Sparkasse". Die Anbringung der Werbetafel kam mir total hausbacken vor. Beim Recherchieren fand ich dann schnell heraus, dass die Sparkasse im Monat dafür 300 Mark Miete zahlt, also 3600 Mark im Jahr. Als ich dann herausbekam, dass immer Zehn-Jahres-Verträge abgeschlossen wurden, war man schon bei 36 000 Mark. Wenn man das auf 1000 Wartehäuschen in Dörfern und Städten der Umgebung hochrechnete, kam schnell die Zahl zusammen, die mich total faszinierte: ein Umsatz von 36 Millionen in zehn Jahren! Noch am selben Tag habe ich losgelegt. Und von meinem Leben an der Côte d'Azur geträumt. Leider hat das nicht auf Anhieb funktioniert.

Lesen sie auf Seite 2, warum der Weg zum Erfolg so schwierig war.

Der steinige Weg zum Millionär

SZ: Weil was so schwierig war?

Wall: Dadurch dass die Wartehäuschen und Werbetafeln immer wieder mutwillig beschädigt und zerstört wurden, drängte sich mir die Frage auf: Wie müssen öffentliche Einrichtungen eigentlich beschaffen sein, damit sie ästhetisch ansprechend bleiben? Also habe ich meine Produkte stadtbildschön, zierlich und leicht gemacht. Man kann ja nicht nur einen Kasten mit Dach und einer seitlichen Plakatfläche hinklotzen - das weckt bei den Leuten nur Aggressivität.

SZ: Vandalismus dämmt man tatsächlich mit Schmuck und Farbe ein?

Wall: Design ist eine unsichtbare Kraft, die auf uns alle einwirkt. Deshalb bin ich zu den besten Designern gegangen und habe mir richtig schöne Wartehäuschen oder intelligente Litfaß-Säulen mit integrierten Uhren und Telefonzellen entwerfen lassen. Mit meinem eigenen Produktionswerk konnte ich den Städten jeweils ein maßgeschneidertes Design anbieten. In Boston habe ich so die erste amerikanische Großstadt erobert.

SZ: Haben Sie sich je mit dem Wort "Stadtmöbel" anfreunden können?

Wall: Das hat mir noch nie gefallen - darunter stellt man sich doch Papierkörbe oder Parkbänke vor. Aber ich habe keinen besseren Ausdruck gefunden.

SZ: Kann man etwas aus Ihrer Geschichte für die Wirtschaftskrise lernen, die auch Deutschland sehr belastet?

Wall: Wer heute über die Krise jammert, flüchtet sich in Ausreden. Das war auch in meinen Anfangsjahren schon so. Damals waren meine größten Probleme nicht, gute Ideen aufzutreiben - sondern Geld. Heute gibt es ganz andere Chancen: Ich wollte immer die größte Feuertaufe auf dem amerikanischen Markt bestehen. Fragen Sie doch mal amerikanische Agenturen in Los Angeles oder New York. Die kennen nur einen deutschen Außenwerber - und der heißt Wall. Heute würde ich nach China expandieren.

SZ: Wären Ihre Memoiren auf ein anderes Finale zugelaufen, hätten Sie die Veränderung der Eigentümerverhältnisse in Ihrer Firma voraussehen können?

Wall: Ich bin mit der neuen Situation glücklich. Ich habe ja nicht verkauft, weil mir das Geld ausging. Bei uns hat keine einzige Bank gekündigt. Mit einem Umsatzeinbruch von minus zehn Prozent sind wir im Konkurrenzvergleich Branchensieger. Sogar JCDecaux hat 13 Prozent eingebüßt. Ich sah nur Probleme beim weiteren Expansionskurs, auf den ich nicht verzichten wollte. Jetzt kommen nämlich alle Städte der Städtereklame zur Ausschreibung - von Frankfurt über Bielefeld bis Bremen. Die erste Stadt, Münster, haben wir bereits gewonnen - die war 60 Jahre bei der DSM.

SZ: Durch den Einstieg Ihres langjährigen Konkurrenten JCDecaux aus Frankreich mussten Sie doch Macht abgeben.

Wall: Die Familie Decaux ist mir persönlich sehr nah gekommen. Wir sind inzwischen Freunde. Jean-François Decaux hat mir den Expansionskurs zugesichert und klargestellt, dass wir von Wall in Zukunft die Angebote abgeben können und nicht JCD Deutschland. Da habe ich für ihn den Weg frei gemacht. Jetzt kann ich auch mit 67 privat Schönes tun. Die Welt besteht nicht nur aus Buswartehäuschen und Toiletten.

SZ: Wie lange werden Sie denn Aufsichtsratsvorsitzender bleiben?

Wall: Ich möchte sicher nicht mehr mit 80 Jahren diesen Posten ausüben. Sobald das Kartellamt zustimmt, hat Jean-François Decaux die Mehrheit. Dann entscheidet er darüber, wie lange ich Aufsichtsratsvorsitzender bleibe. Ich denke, bis zu meinem 70. Geburtstag könnte ich schon weitermachen.

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