Biografie von Jean Miró:Leben im Abstrakten

Kinderbuch
(Foto: Verlag)

Anthony Penrose erzählt davon, wie er als Kind bei seinen Eltern den großen Surrealisten kennen lernte.

Von Ulrike Schultheis

Antony Penrose verbrachte seine Kindheit auf einer Farm in Sussex. Seine Mutter war eine berühmte Fotografin und sein Vater Sammler, Schriftsteller, Surrealist und großer Kunstförderer. Die Eltern führten ein stets offenes Haus für Künstler. Dazu gehörten auch Picasso und Miró. In seinem ersten Buch "Der Junge, der Picasso biss", 2010 sogar für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert) beschreibt der Autor seine Begegnung mit dem temperamentvollen Picasso. Anhand von alten, bisher unveröffentlichten Familienfotos nimmt er uns nun wieder mit in die Vergangenheit auf die Farm seiner Eltern. Auf der ersten Seite sieht man ihn als kleinen Jungen auf einem Foto, und so stellt er sich vor: "Mein Name ist Tony. Hier seht ihr mich in meiner besten Pferde-Strickjacke. Meine Eltern waren beide surrealistische Künstler. Surrealisten machen Bilder von Träumen. Ein ganz besonderer Freund meiner Eltern machte ebenfalls Kunst, sie war seltsam und magisch. Der Name dieses Freundes war Joan Miró."

Aus Kindersicht, aber mit dem klaren Blick und dem einordnenden Wissen eines Erwachsenen erzählt uns Antony Penrose liebenswerte Episoden von Besuchen Mirós auf der elterlichen Farm. Geschickt verbindet er dabei Persönliches mit Wissenswertem. Wir sehen frühe Bilder des Malers, die immer wieder Tiere als Motive hatten, weil Mirós Eltern in Spanien auf einem Bauernhof lebten. Später wurden seine Tiere und Gegenstände zunehmend abstrakter. "Miró zog von Spanien nach Frankreich und sah deshalb den Hof seiner Eltern nicht mehr so oft. Stattdessen malte er nun Dinge aus seiner Fantasie. Aber ihr könnt sehen, dass es hier trotzdem von kleinen Lebewesen nur so wimmelt, wie auf der Farm." Um dem kindlichen Betrachter den Einstieg in diese zunächst verwirrende Darstellungsweise zu erleichtern, werden Figuren aus den Bildern herausgezogen und in kleinen Vignetten vergrößert wiedergegeben. So bekommen sie plötzlich ein Gesicht und helfen, im Abstrakten Leben zu erkennen und der eigenen Fantasie und Kreativität freien Lauf zu lassen. Mit leisem Humor und großer Empathie führt uns der kleine Tony nun weiter durch das Leben des großen Malers und öffnet uns die Augen für surrealistische Kunst und besonders für Mirós ganz eigenen Blick auf die Welt. Dabei gibt er Kindern wie Erwachsenen stets das Gefühl, selbst mit Miró befreundet gewesen zu sein. "Miró starb an einem Weihnachtstag im hohen Alter von 90 Jahren... Für mich wird er immer der warmherzige, ruhige, freundliche Mann bleiben, der seltsame Tiere mochte und wunderbare Welten schuf... Ich hoffe, ihr mögt ihn auch." Nach dieser Lektüre kann man gar nicht anders, als Miró zu lieben! Und Tony Penrose ebenfalls!

Die liebevolle Ausstattung auf hochwertigem Papier, die originelle Textgestaltung und die sorgfältige Bildauswahl machen dieses auf den ersten Blick unspektakuläre Kunstbuch zu einem kleinen Schatz für die ganze Familie. (ab 8 Jahre)

Antony Penrose: Als Miró die Tiere neu erfand. Mit Bildern von Joan Miró. Fotos von Lee Miller. Aus dem Englischen von Sarah Pasquay. Knesebeck Verlag, München 2016. 48 Seiten, 14,95 Euro.

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