Billy Crystal moderiert Oscars 2012:Suche nach der Zauberformel

Zuschauerschwund und Bedeutungsverlust: Die Oscars brauchen dringend eine neue Form. Nach Pannen im Vorfeld und der Absage von Eddie Murphy steht am Sonntag wieder Billy Crystal auf der Bühne und moderiert die Gala - zum neunten Mal. Er wird einen unfallfreien Auftritt hinlegen. Danach aber benötigt der heilige Gral der Filmschaffenden wirklich innovative Ideen.

Tobias Kniebe

Wenn Sonntagnacht die Fernsehkameras in die Oscar-Arena in Los Angeles schalten, erwartet die Zuschauer ein vertrautes Bild. Da singt und tanzt er wieder, dieser Kerl mit der hohen Stirn und dem seltsam gekräuselten Haaransatz. In einer Shownummer wird er die aktuellen Filmhighlights veralbern, dann durch die Preisverleihung führen - mit derselben Mischung aus Komiker-Nonchalance und Old-School-Würde, mit demselben unangestrengten, milde sarkastischen Humor, den jeder Filmfan kennt. Und wenn man sich dann fragt, was sich hier in den letzten zwanzig Jahren eigentlich verändert hat, muss die ehrliche Antwort lauten: gar nichts.

Comedian Billy Crystal, host for the 84th Academy Awards, poses in this undated publicity photograph with a large Oscar statuette

Gastgeber-Chaos: Weil Eddie Murphy ging, sprang Billy Crystal (Foto) ein.

(Foto: Reuters)

1990 war Billy Crystal zum ersten Mal Zeremonienmeister der Oscar-Show, er war auf Anhieb ein Erfolg in dieser Rolle - und in diesem Jahr wird er den Job zum neunten Mal machen. Er wird wieder nicht schlecht sein, so viel ist schon mal sicher: Weder wird er im Scheinwerferlicht erstarren, noch sind bahnbrechende Neuerungen zu erwarten. Billy Crystal noch einmal zu engagieren, das war für die Oscar-Akademie so etwas wie das aus Händen geformte Sportler-T am Spielfeldrand: ein Time-out.

Denn es gab sie durchaus, die Versuche der Erneuerung in den letzten Jahren - und zuletzt sind sie böse schiefgegangen. Anne Hathaway und James Franco zum Beispiel, das Jungstar-Duo vom letzten Jahr: Standen auf der Bühne wie bestellt und nicht abgeholt, begnügten sich mal mit hingenuscheltem, mal mit überambitioniertem Textaufsagen - und das ersehnte jüngere Publikum, das sie dank ihrer eigenen Jugend vor die Bildschirme locken sollten, schaltete auch nicht ein. So konnte es nicht weitergehen.

Und so kam die Academy auf die Idee, Eddie Murphy als Moderator anzuheuern, der ja auch mal Stand-up-Comedian war - und mit ihm seinen Freund und Vertrauten Brett Ratner, Regisseur der "Rush Hour"-Filmserie, als Produzent der Show. Ein Gespann der frechen Großmäuler, die alles aufmischen sollten - nur begann Ratner damit blöderweise schon weit vor der Konzeption der Show.

Heterosexuellen Eskapaden führen zur Absage

"Proben sind was für Weicheier", wollte er sagen, als er im November nach den Oscars gefragt wurde. Allerdings benutzte er lieber ein anderes Wort, das boshafte "Fags" ("Schwuchteln"). Dieser und andere Aufritte, bei denen er mit seinen heterosexuellen Eskapaden prahlte, ließen ihn für Oscar-Aufgaben dann doch ungeeignet erscheinen. Scharf kritisiert, gab er den Job wieder ab, und mit ihm trat auch Eddie Murphy zurück - rechtzeitig genug, um für ein neues Team Platz zu machen. Um von weiteren Pannen verschont zu bleiben, griff die Academy danach auf den bewährten Billy Crystal zurück.

Aber mal ganz abgesehen von solchen Spezialproblemen - irgendwie gelingt es den Oscars seit Jahren nicht, eine neue, überzeugende Form der Präsentation zu finden. Was ist das Problem der Show? "Auf einer Ebene, tief in unserem Herzen, glauben wir doch alle, dass sie dämlich ist", hat der aktuelle Top-Humorist Jon Stewart einmal im Gespräch mit Late-Night-König David Letterman gesagt - da leckten beide ihre Wunden, weil sie es ebenfalls als Oscar-Gastgeber versucht hatten, und beide irgendwie fehl am Platz wirkten. Den heiligen Gral der Filmschaffenden zugleich zu feiern und ihre pompöse Selbstbeweihräucherung trotzdem zu unterwandern - dafür ist die neue Zauberformel einfach noch nicht gefunden.

Mit einen unfallfrei gediegenen Auftritt soll Billy Crystal der Academy nun noch einmal Zeit kaufen - danach aber müssen wirklich innovative Ideen her. Und zwar dringend: Die Golden Globes, Oscars trashige kleine Schwester, haben mit dem brutalen - und brutal komischen - Briten Ricky Gervais zuletzt mehrere Highlights gesetzt und die Debatte dominiert. Mit jedem Jahr, in dem die Oscars dem nichts entgegensetzen können, schwinden ihre Zuschauer und ihre Bedeutung.

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