Bill Clinton:Johannes, der Präsident möchte dich sehen

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Leerer Raum. Diet Coke. Und bloß kein Zigarettenqualm: Der Tag, an dem William Jefferson Clinton zu Kerner nach Hamburg kam.

Von Christopher Keil

Mittags um zwei hat sich bereits ein Ü-Wagen des Norddeutschen Rundfunks auf dem Gehsteig vor dem Studio in Hamburg postiert, in dem Bill Clinton von Johannes B. Kerner 90 Minuten später begrüßt wird. In den Gängen, die das Studio an der Rothenbaumchaussee 78 - 80 mit den Räumen der Johannes B. Kerner Show verbinden, haben Secret Service und Landeskriminalamt (LKA) an diesem Samstag das Kommando. Bevor Clinton nach Deutschland reiste, um sein Buch Mein Leben zu preisen, legte sein Büro die Clinton-Regeln fest. Die wichtigste Regel ist: In den Gängen, durch die der 42. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wandelt, darf nicht geraucht werden.

Hey, die besten Jahre liegen noch vor Euch Deutschen: Bill Clinton vermarktet sein Buch im deutschen Fernsehen. (Foto: Foto: AP)

Mittags um zwei sitzen Kerner, sein Redaktionsleiter Markus Heidemanns und der Sendungsregisseur Volker Weicker auf der anderen Straßenseite in einem Restaurant, das B & B heißt. Kerner bestellt Salat mit Rindfleisch. Er trägt einen gestreiften Anzug von Joop und einen Binder der selben Marke. Heidemanns diskutiert, ob man Clinton aufrecht auftreten lassen oder das Gespräch sitzend beginnen sollte. "Kein Auftritt", sagt Kerner. "Das ist zu peinlich, wenn alle aufstehen und applaudieren." Kein Auftritt, findet auch Heidemanns.

Kerners mobiles Telefon tönt. Der Chefredakteur einer Sonntagszeitung ruft an und vermeldet, Clinton habe beste Laune, reagiere aber auf politische Einlassungen mit ausführlichen Vorträgen. Er hat Clinton ein paar Kilometer weiter im Hotel Vierjahreszeiten gesprochen. Bevor Kerner die Rechnung bezahlen kann, meldet sich seine persönliche Assistentin. Der Secret Service habe befohlen, dass das Kamera-Team vor dem Studio nicht drehen dürfe, wenn Clinton eintreffe. Das Kamerateam ist vom ZDF. Kerner, auch ZDF, ist irritiert. Clinton wird für 15 Uhr erwartet. Redaktionsleiter Heidemanns erzählt die Lebkuchen-Geschichte.

Die Lebkuchen-Geschichte geht ungefähr so: Als fest stand, dass Clinton seine Biografie im deutschen Fernsehen promoten werde, bewarb sich auch Kerner-Konkurrent Beckmann (ARD). Markus Peichl, Redaktionsleiter von Beckmann, bekam eine Zusage des Econ-Verlages, der das Clinton-Buch in Deutschland druckte. Peichl mietete ein Studio, bestellte die Technik, beauftragte einen Dolmetscher, und bei der Vorbereitung ermittelten die Beckmann-Rechercheure Clintons Lieblings-Lebkuchen. Mit diesem Backwerk wollte Talk-Meister Beckmann den Gast aus New York überraschen. Überrascht worden ist er vom Kollegen Kerner, für den sich Clinton plötzlich entschieden hatte. Deswegen gibt es fürchterlichen Streit. Jedenfalls haben die Beckmann-Leute den Kerner-Leuten den Clinton-Lebkuchen angeboten. Aber die wollten ihn nicht.

Um halb drei sitzt Kerner im unbesetzten Studio und arbeitet mit Heidemanns an der Strategie. Kerner verlangt nach Nasevin oder einem anderen Nasenspray. Wie ist nach dem politischen Wirken von Hillary Clinton zu fragen?

Beim Live-Mitschnitt wird Kerner zunächst nach John Kerry fragen, der ja demokratischer Präsidentschaftskandidat ist. Clinton wird von seiner Freundschaft zu Kerry sprechen, den er und seine Frau sehr unterstützen. Das heiße, wird Kerner fortfahren, "Ihre Frau zieht erst in acht Jahren ins Weiße Haus"? Das, wird Clinton antworten, "haben Sie gesagt". - "Können Sie sich vorstellen, Minister zu werden, würde Ihre Frau Präsidentin?" - "My Goodness."

Der Designer-Stuhl von Rolf Benz, auf dem Bill Clinton sitzen wird, ist aus blauem Kunststoffleder. Er steht an der linken Seite von Kerners nach innen geschwungenem Schreibtisch. Bill Clinton ist ein großer Mann, 1,90 Meter. Der Stuhl wirkt schmal. "Das passt", sagt Redaktionsleiter Heidemanns, "da passte schon der Otti Fischer rein".

Auf dem Weg in den ersten Stock treffen Kerner und Heidemanns um 14.45 Uhr vier Secret-Service-Männer an einer Seitentür. Hier wird Clinton das Gebäude betreten. Er wird, das ist eine Clinton-Regel, das Gebäude durch eine andere Schleuse verlassen. Im ersten Stock über dem Studio wartet Conny. Conny ist eine Mitarbeiterin aus dem Clinton-Team. Conny hat noch mehr Clinton-Regeln: "Also, der Präsident kommt. Leerer Raum. Diet Coke. In VIP 3 wartet die Maske. Wir kommen da hin." Heidemanns sagt: "Yes. Yes. Yes."

In dem Zimmer "Redaktion Kerner", das am Ende des Flures neben VIP-Raum 3 liegt, wartet Kerner auf Clinton. Er wird ihn einmal mit "Herr Präsident" anreden, ansonsten "You" oder "Mr. Clinton" sagen. "Man sagt", weiß Kerner, "nicht Herr Ex-Präsident, sondern Herr Präsident. So ist das Protokoll." Er befürchtet, dass geschrieben werde, er habe sich mit einem "Herr Präsident" an Clintons Brust geschmissen.

15.02 Uhr. Polizei hat die Kreuzung vor dem Kerner-Block geräumt. Im Zimmer "Redaktion Kerner" summt ein Computer. Die Seite spiegel.de ist aufgerufen. Die oberste Meldung lautet: "Kritik am CIA. Bush glaubt weiter an seine Kriegsgründe." Clinton wird über die CIA sagen: "Die CIA hat ein Problem." Und über Bush, dass er, Clinton, den Irak-Krieg nicht geführt hätte. Kerners persönliche Assistentin ruft: "Johannes, der Präsident möchte dich sehen."

Um 15.28 Uhr sitzt Johannes B. Kerner vor etwas mehr als 100 Menschen in seinem Studio und kündigt "William Jefferson Clinton" an. Das Gespräch beginnt mit der Frage: "Warum durfte Ihre Frau zuerst eine Biografie vorlegen?" Um 15.50 Uhr ist Kerners Glas ohne Wasser, das Glas von Clinton ist mehr als halb voll. Bill Clinton ist auch im Sitzen groß. Neben dem blauen Alcantara-Stuhl steht vom Publikum unbemerkt ein schwarzes Stabmikrofon, das bis auf Tischplattenhöhe von Kerners Pult reicht. Clinton wollte kein Ansteckmikrofon. Würde er eine dritte Amtszeit wollen? "Na klar, ich liebte den Job."

Um 16.25 Uhr beendet Kerner die Begegnung: "Bill Clinton, Mein Leben. Danke für das Gespräch." Clinton streckt die Rechte aus. Kerner, der sonst schneller mit der Hand bei seinen Gästen ist, hatte gezögert. Clinton wird jedem Studiobesucher die Hand reichen. Sie ist wohl manikürt und weich, nicht feucht, sondern trocken, der Händedruck unaufdringlich.

Redaktionsleiter Heidemanns ist zufrieden. Kerner sollte nach der Parallelwelt fragen, die Clinton in der Biografie beschreibt. Und Clinton hat bestätigt, dass ihm die Praktikantin Monica Lewinsky in dieser Parallelwelt begegnet sei.

Nachdem die Präsidenten-Karawane weitergezogen ist, führt Kerner erste Radio-Interviews. Da erscheint noch einmal seine persönliche Assistentin. Clinton stehe vor dem Rathaus und wünsche eine Führung. Kerner bemüht sich vergeblich, Ole von Beust zu erreichen, den Ersten Bürgermeister. Dann ruft seine Frau Britta an. Die Familie wartet. Schließlich hat Johannes B. Kerner gerade Urlaub.

Die Kerner Show, ZDF, 23.45 Uhr.

© SZ vom 12.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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