Bildergalerie:Verhängnisvolle Affären

Nackte Haut im Nachkriegskino, eine Ohrfeige für den Kanzler und falsche Hitler-Tagebücher: Die Bonner Ausstellung "Skandale" zeigt deutsche Zeitgeschichte - und ist dabei selbst nicht makellos.

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Nackte Haut im Nachkriegskino, eine Ohrfeige für den Kanzler und falsche Hitler-Tagebücher: Die Bonner Ausstellung "Skandale" zeigt deutsche Zeitgeschichte - und ist dabei selbst nicht makellos. Ein Rundgang in Bildern.

Das Bonner Haus der Geschichte ist als ein offener, demokratischer Ort konzipiert. Der Hall-Effekt im Foyer ist ausgezeichnet. An einem gewöhnlichen Wochentag sind dort gefühlte fünf Schulklassen gleichzeitig zu Besuch. Der Lärm, der das Foyer erfüllt, dringt fast in jeden Raum. Weil das Haus der Geschichte bei Lehrern und Schülern gut ankommt, dürfte es das lauteste Museum Deutschlands sein. Zu einer Ausstellung über die Skandale der Bundesrepublik passt der Geräuschrummel vorzüglich.

(SZ vom 17.12.2007, Franziska Augstein/rus)

Fotos: Ruth Schneeberger

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Was ist ein Skandal? Ein Betrug, eine Affäre, ein Korruptionsfall, eine Lüge werden von den Medien aufgegriffen und stoßen beim Publikum auf großes Echo. So ungefähr haben die Kuratoren den Skandal definiert und aus dem deutschen Fundus ein repräsentatives Spektrum von zwanzig Fällen herausgegriffen. Bezeichnenderweise beginnt die Schau mit Sex: Die Bevölkerung der Adenauer-Republik war anfangs apolitisch und politisch vor allem insofern, als sie Autoritäten - Politiker, Polizisten, Beamte aller Art - respektierte.

"Das Mädchen Rosemarie"

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Nicht erträglich erschien vielen Zeitgenossen hingegen die Darstellung einer Prostituierten als Kameradin: Willi Forsts Film "Die Sünderin" (1951), in dem Hildegard Knef nackt unter einem Sonnenschirm liegt, brachte die Republik in Wallung. (Im Katalog steht irrtümlich, die Akt-Szene sei damals das wenigste gewesen, worüber die Leute sich echauffierten.)

Hildegard Knef als Rosemarie Nitribitt

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1957 wurde die Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden: Das war der zweite Skandal. Die Wirtschaftswunderdeutschen waren fasziniert vor allem von dem Mercedes-Kabriolett, mit dem "die" Nitribitt durch die Frankfurter Innenstadt gekurvt war, um ihre wohlhabenden Freier aufzureißen.

"Das Mädchen Rosemarie"/Filmplakat von 1958

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Ein Mercedes desselben Modells ist in der Ausstellung aufgefahren. Die Museumswärter beschützen das schwarzgelackte Auto mit den roten Sitzen: Die Schüler dürfen nicht einmal die Karosserie liebevoll befummeln. (Warum eigentlich nicht?) Diesen wie auch alle anderen Skandale hat man sich bemüht, objektiv darzustellen, zum Teil auch ohne Rücksicht darauf, ob die Vergangenheit ganz vergangen ist. Die historische Distanzierung geht mitunter auf Kosten der Eindrücklichkeit. Es wirft ein gruseliges Schlaglicht auf die fünfziger Jahre, dass Rosemarie Nitribitt gelegentlich unter einem jüdischen Pseudonym ihrer Arbeit nachging: Einige ihrer Kunden waren viel verderbter, als die Ausstellung ahnen lässt.

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Von 1960 an spielten die ausgewählten Skandale sich auf anderen Feldern ab, was dem gewandelten Selbstverständnis der Gesellschaft entsprach. Dass Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer, einst ein eifriger Nationalsozialist, nach 1945 wieder Karriere machte, erschien den Westdeutschen erst Ende der fünfziger Jahre anrüchig. In den sechziger Jahren hob die kritische öffentliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus an.

Theodor Oberländer

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Einer der Gipfelpunkte: Die "Ohrfeige", die Beate Klarsfeld Bundeskanzler Kiesinger verabreichte. (Tatsächlich haute sie daneben: Ihre Ohrfeige traf Kiesinger ins Auge.)

Beate Klarsfeld stellt die Ohrfeige nach - von der echten Ohrfeige gibt es keine Fotos

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Die Schau versucht, ein Spektrum von politischen, medizinischen, juristischen und Wirtschaftsskandalen abzubilden. Schlagwörter sind: Contergan, ...

Eine Prothese für Contergan-geschädigte Kinder

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... Rolf Hochhuths Anti-Papst-Drama "Der Stellvertreter", ...

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... Hormonkälber, ...

Hormoncocktail für Kälber, der die Mastdauer um 15 Prozent verkürzen und die Gewinnspanne erheblich steigern soll. Er wurde mit solchen Spritzen verabreicht.

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(... und andere Nahrungsmittel-Skandale ...)

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... die Flick-Affäre, ...

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... die Korruption an der Spitze der gewerkschaftseigenen Wohnungsbauorganisation "Neue Heimat", ...

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... die "Amigo-Affäre", ...

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... die den bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl 1993 um sein Amt brachte.

"Saludos, Amigos": Der Ausstellungsfilm zeigt einen verständnisvollen Bayern, der dem Zuschauer in Endlosschleife zuprostet.

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Die "Spiegel-Affäre" von 1962 illustriert das Erstarken des demokratischen Verständnisses.

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Die gefälschten "Hitler-Tagebücher" ...

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... und das Gladbecker Geiseldrama, bei dem Journalisten sich zu Helfershelfern der Entführer machten, illustrieren das Fazit der Ausstellung: Heutzutage sei die Presse oft nicht mehr hilfreich bei der Aufklärung von Skandalen, sondern vielmehr Teil des Problems. Das stimmt und stimmt nicht. Man darf den Unterhaltungswert der früheren Skandale nicht unterschätzen.

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Auf engem Raum werden die Zuschauer durch ein Labyrinth von einem Skandal zum nächsten geleitet. Vieles gibt es zu entdecken: Zeitungsseiten, Objekte, Tonbandaufnahmen, Fotos, Filmsequenzen. Es ist amüsant, auch für Schüler, die sich mitunter mehr für das Kleingedruckte auf den ausgestellten Titelseiten der Bild-Zeitung interessieren.

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Die Schau klingt aus mit einem aktuellen Skandal: Den gerichtsnotorischen, hohen Bonuszahlungen, welche die Manager von Mannesmann erhielten, die nicht verhinderten, dass ihr Konzern an Vodafone verkauft wurde.

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Die Ausstellung wäre gelungen, ....

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.... stolperte man nicht auch hier über ein Skandalon:

Ackermanns Victory-Zeichen wird in der Werbung ironisch zitiert

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Die DDR wird nur mit dem Protest gegen die gefälschten Kommunalwahlen von 1989 repräsentiert. Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, erklärt die Entscheidung so: "Da es in Diktaturen keine unabhängige Öffentlichkeit gibt (...), können Skandale dort weitgehend unterdrückt werden."

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Das zeugt von der verbreiteten Ignoranz der Westdeutschen, die vom Alltag in der DDR nichts wissen wollen.

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Natürlich gab es dort Skandale, auch wenn sie nicht in den öffentlichen Medien thematisiert wurden. Was in der BRD die Meinungsinstitute sind, das war in der DDR die Stasi, die der - seit dem 17. Juni 1953 furchtsamen - SED-Regierung Meldung machte, wenn es in der Bevölkerung gärte. Was in der Bundesrepublik die Medien sind, das war in der DDR die Mund-zu-Mund-Propaganda, die in einer Diktatur viel effizienter funktioniert als in einem freien Land.

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Ein bekanntes Beispiel für einen DDR-Skandal ist der Fall "Kaffee-Mix": Das Regime hatte stets propagiert, in der DDR gebe es keine Preissteigerungen. Bohnenkaffee kostete den Staat viele Devisen. Also kam 1977 "Kaffee-Mix" in die Geschäfte, eine Mischung aus Bohnenkaffee, Malz und Zichorie - für den gleichen Preis, den die DDR-Bürger zuvor für ihren Bohnenkaffee hatten zahlen müssen. Das fassten die Ostdeutschen als Skandal und politischen Betrug auf, sie sprachen darüber, sie beschwerten sich. Wenig später gab es "Kaffee-Mix" nicht mehr.

Nur weil die Skandalisierung in der DDR anders ablief als im Westen, sollte man nicht so tun, als habe es dergleichen dort nicht gegeben. Die schöne Gelegenheit zu einem aufschlussreichen Systemvergleich: das Bonner Haus der Geschichte hat sie nicht wahrgenommen. Während die DDR existierte, waren die Ostdeutschen nicht mundtot. Erst im Nachhinein werden sie dazu erklärt.

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Skandale", Haus der Geschichte in Bonn, bis zum 24. 3. 2008 (anschließend im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig). Der Katalog (Kerber Verlag) kostet 19,90 Euro. Info: www.hdg.de.

(SZ vom 17.12.2007, Franziska Augstein/rus)

Fotos: Ruth Schneeberger

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