Bildergalerie:Stoppt die Rettung Afrikas!

Der 24-jährige US-Nigerianer Uzodinma Iweala gehört zu den wichtigsten amerikanischen Nachwuchsliteraten. Hier schreibt er, warum es ihn nervt, ständig gerettet werden zu sollen.

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Kurz nachdem ich letzten Herbst aus Nigeria nach New York zurückgekehrt war, quatschte mich eine freche College-Blondine an, deren blaue Augen scheinbar die "afrikanischen" Perlen inspiriert hatten, die sie passend ums Handgelenk trug. "Rettet Darfur!", schrie sie hinter einem mit mahnenden Pamphleten bedeckten Tisch: "Handelt Jetzt! Stoppt den Völkermord in Darfur!"

Foto: dpa

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Meine Abneigung gegen College-Kids, die sich auf modische Sozialthemen stürzen, brachte mich beinahe dazu, weiterzugehen, doch ihr nächster Ausruf ließ mich innehalten. "Willst du nicht mithelfen, Afrika zu retten?", kreischte sie.

Foto: Getty Images George Michael, Bono, Paul McCartney, Freddie Mercury and Bob Geldof spielen beim "Live Aid Concert" 1985 im Wembley Stadium London.

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Von der Schuld an der humanitären Krise gebeutelt, die er im Mittleren Osten verursacht hat, scheint der Westen dieser Tage in Afrika Buße tun zu wollen. Idealistische College-Studenten, Berühmtheiten wie Bob Geldof und Politiker wie Tony Blair haben es alle miteinander zu ihrer Aufgabe erklärt, Licht auf den dunklen Kontinent zu bringen. Sie kommen herbeigeflogen, um Praktika zu absolvieren, Feldforschung zu betreiben oder Adoptivkinder auszusuchen, beinah so wie meine Freunde und ich in New York die Subway zum Tierasyl nehmen, um streunende Hunde zu adoptieren.

Foto: dpa /Der irische Musiker Sir Bob Geldof auf einer Pressekonferenz zum "Intellectual Live 8 - Forum für Afrika" in Berlin, Mai 2007

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So sieht das neue Selbstbild des Westens aus: sexy und politisch aktiv, eine Generation, deren bevorzugtes Mittel der Nachrichtenverbreitung Magazine sind, in denen Berühmtheiten vor kümmerlich aussehenden Afrikanern posieren. Dabei macht es nichts, dass die zur Rettung entsandten Stars oft willentlich ebenso abgemagert sind wie die Eingeborenen, denen sie helfen wollen.

Am interessantesten ist vielleicht die Sprache, die zur Beschreibung des zu errettenden Kontinents verwendet wird. Die "Rettet ein Kind / Ich bin Afrikaner"-Kampagne etwa zeigt meist weiße, westliche Berühmtheiten, auf deren Gesichter "Stammeszeichen" gemalt sind. Darunter steht in großen Lettern: "Ich bin Afrikaner". Und noch weiter unten, in kleinerer Schrift: "Helft uns, das Sterben zu beenden."

Wie gut auch immer solche Kampagnen gemeint sind: Sie festigen das Stereotyp von Afrika als einem schwarzen Loch der Seuchen und des Todes. Nachrichtensendungen über den Kontinent konzentrieren sich konsequent auf korrupte Regierungen, Kriegsherren, "Stammeskonflikte", Kinderarbeit und Frauen, die von Missbrauch und Beschneidung entstellt sind. Solche Darstellungen laufen unter Schlagzeilen wie "Kann Bono Afrika retten?" oder "Wird Brangelina Afrika retten?".

Foto: AP Angelina Jolie zieht in "Tomb Raider - Die Wiege des Lebens", 2003 als Lara Croft durch die afrikanische Savanne. Zusammen mit Brad Pitt hat sie ein afrikanisches Kind adoptiert.

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Die Beziehung zwischen dem Westen und Afrika gründet nicht länger auf offen artikulierten rassistischen Überzeugungen; vielmehr klingen in solchen Artikeln Berichte aus der Blütezeit des europäischen Kolonialismus nach, als Missionare nach Afrika geschickt wurden, um uns an Bildung, Jesus Christus und "Zivilisation" heranzuführen.

Foto: dpa Bundespräsident Horst Köhler Anfang 2007 bei seinem viertägigen Staatsbesuch im westafrikanischen Ghana

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Es gibt - mich eingeschlossen - keinen Afrikaner, der die Hilfe des Rests der Welt nicht begrüßen würde; doch wir stellen in der Tat die Frage, ob es sich um wirkliche Unterstützung handelt oder ob sie zur Bestätigung der eigenen kulturellen Überlegenheit gewährt wird. Ich bekomme jedes Mal richtig schlechte Laune, wenn der Gastgeber einer Benefizveranstaltung zur Begrüßung eine Litanei afrikanischer Katastrophen herunterbetet, nur um dann einen üblicherweise wohlhabenden, weißen Sprecher zu präsentieren, der häufig mit einer Auflistung all der Dinge weitermacht, die er oder sie für die armen, verhungernden Afrikaner getan hat.

Foto: dpa US-Schauspieler Larry Hagman, umringt von afrikanischen Künstlern beim Ruhrgebietsgastspiel der Heller-Show "Afrika! Afrika!" in Oberhausen, 19. Juli 2007.

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Mich schaudert es jedes Mal, wenn eine wohlmeinende College-Studentin von Dorfbewohnern spricht, die aus lauter Dankbarkeit für ihre Hilfe für sie tanzten. Ich kann kaum hinschauen, wenn ein Hollywood-Regisseur einen Film über Afrika mit einem westlichen Protagonisten dreht - weil Afrikaner, obschon wir wirkliche Menschen sind, als Requisiten in einem Phantasiebild eingesetzt werden, das sich der Westen von sich selbst macht.

Foto: dpa Madonna beim Live-Aid-Konzert in London 2005 mit Birhan Woldu, die beim Live-Aid-Konzert 20 Jahre zuvor als verhungerndes Kind auf dem Bildschirm gezeigt worden war.

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Solche Darstellungen neigen nicht nur dazu, die prominente Rolle des Westens bei der Erschaffung von vielen der bedauerlichen Zustände auf dem Kontinent zu unterschlagen; sie übersehen auch die unglaublich große Arbeit, die Afrikaner geleistet haben und weiter leisten, um diese Probleme zu lösen. Warum sprechen die Medien so häufig von afrikanischen Ländern, die "von ihren Kolonialherren in die Unabhängigkeit entlassen worden sind", statt zu sagen, dass sie für ihre Freiheit gekämpft und ihr Blut vergossen haben?

Foto: Reuters Bill Clinton mit einem adoptierten afrikanischen Kind

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Warum bekommen Angelina Jolie und Bono überwältigende Aufmerksamkeit für ihre Arbeit in Afrika, während Nwankwo Kanu oder Dikembe Mutombo - beide Afrikaner - kaum je erwähnt werden? Wie kommt es, dass ein ehemaliger US-Diplomat mittleren Rangs mehr Aufmerksamkeit für seine Cowboy-Possen im Sudan erhält als zahlreiche Länder der Afrikanischen Union, die Lebensmittel und Truppen geschickt und unzählige Stunden mit dem Versuch verbracht haben, ein Abkommen zwischen den Konfliktparteien auszuhandeln?

Vor zwei Jahren habe ich in einem Lager für nigerianische Displaced People gearbeitet, Überlebende eines Aufstands, der etwa 1000 Menschen das Leben kostete und 200.000 zu Vertriebenen machte. Die westlichen Medien berichteten wie üblich über die Gewalt, nicht aber über die humanitäre Arbeit, die Staat und lokale Regierungen - ohne viel internationale Unterstützung - für die Überlebenden leisteten. Sozialarbeiter brachten ihre Zeit und in vielen Fällen ihr eigenes Gehalt für die Betreuung ihrer Landsleute auf. Diese Leute retten Afrika - und auf dem ganzen Kontinent gibt es andere wie sie, die für ihre Arbeit nicht gewürdigt werden.

Foto: dpa U2-SängerBono erhält im Januar 2006 den deutschen Medienpreis für sein Afrika-Engagement

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Letzten Monat trafen sich die G 8 und eine Schar von Prominenten in Deutschland, um unter anderem zu diskutieren, wie Afrika zu retten sei. Ich hoffe, dass die Menschen vor dem nächsten dieser Treffen einsehen werden, dass Afrika nicht gerettet werden will.

Foto: AP Der britische Premierminister Tony Blair (links) Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mitte) und der Vorsitzende des African Progress Panel und frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan (rechts), lächeln nach ihren Gesprächen über Afrika am Dienstag, 24. April 2007, im Bundeskanzleramt in Berlin.

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Afrika will das Eingeständnis der Welt, dass wir selbst mittels fairer Partnerschaften mit anderen Mitgliedern der Weltgemeinschaft zu noch nie da gewesenem Wachstum fähig sind.

Der 24-jährige US-Nigerianer Uzodinma Iweala ist Autor des Romans "Beasts Of No Nation", in dem er von Kindersoldaten in Afrika erzählt. Die Literaturzeitschrift Granta wählte Iweala gerade zu den wichtigsten amerikanischen Nachwuchsliteraten. Auf Deutsch erscheint "Beasts Of No Nation" im Herbst im Ammann Verlag - Deutsch von Nico Daniel Schlösser.

Foto: ddp Am 19. Februar 2005 geht der Goldene Bär der Internationalen Filmfestspiele Berlin erstmals nach Afrika. Der südafrikanische Streifen "U-Carmen eKhayelitsha" wird überraschend als bester Film ausgezeichnet. In seinem komplett in Xhosa - eine der Landessprachen - inszenierten Spielfilmdebüt verlegt Regisseur Mark Dornford-May die Oper "Carmen" von George Bizet in eine südafrikanische Township und bettete die Geschichte um Liebe und Eifersucht in das dortige soziale und kulturelle Umfeld ein. Das Foto zeigt die Schauspielerin Pauline Malefane

(sueddeutsche.de/SZ vom 23.7.2007)

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