Bilderbuchkunst:Der beste Freund zieht weg

Die Kinderwelt im Blick. Das Bilderbuch "Das Mädchen mit dem Papagei" lässt mit seinen naiv künstlerischen Bildern Raum für eigene Inspirationen.

Von HassÂn Al Mohtasib

Urplötzlich steht ein dunkelhäutiges, von Ohr zu Ohr grinsendes kleines Mädchen vor dem Betrachter. Auf ihrem Kopf hockt mit großer Selbstverständlichkeit ein Papagei. Man weiß nicht, wie er dahin kommt. Man weiß auch nicht, warum. Man ahnt nur, dass beide die gleichen farblichen Präferenzen teilen, die Federpracht des Papageis gleicht den Kleidern des Kindes. Beide scheinen damit glücklich zu sein.

Die Welt mit den Augen von Kindern zu betrachten bedeutet oft, dass nichts selbstverständlich ist, dass Gedanken, Gegenstände und Menschen in einer urkomischen Relation zueinander stehen und dass Veränderungen - in dieser Geschichte zieht der beste Freund des Mädchens weg - existenzieller Natur sind. Die unendlichen Kinderfragen an die Erwachsenenwelt landen in der Es-ist-einfach-so-!-Sackgasse. Und schließlich bleiben Kinder sich selbst und ihrer Interpretation überlassen.

In der gezeichneten Welt dieses Buches von Daisy Hirst verschwimmen die Grenzen zwischen der Protagonistin und den Gegenständen, die um sie herumliegen. Alles scheint ein eigenes Leben zu führen. Alles leistet seinen Beitrag zum Verlauf der Geschichte, in der das kleine Mädchen den Verlust des Freundes mit viel Fantasie überwindet. Die Bilderbuchkünstlerin aus London stellt in ihrem Debüt freie Szenen auf eine weiße Bühne, sie inszeniert ihre Bilder und gibt dem kleinen Betrachter eine Orientierung. Und obwohl ihre Kamera-einstellung über der Augenhöhe der Figuren liegt, erzählt sie aus der Sicht eines Kindes. Sie lässt so einen Raum zwischen der Geschichte selbst, ihren Figuren und Örtlichkeiten einerseits und dem Kind andererseits, das das Buch faszinieren soll. So bleibt der Raum für eigene Inspiration des Betrachters. Nicht jedes Bilderbuch erfüllt diese kreative Aufgabe.

Kinder und JugendliteraturET  2606_2015

Illustration aus Daisy Hirst: Das Mädchen mit dem Papagei auf dem Kopf

Die Illustratorin demonstriert mit ihren Zeichnungen, dass sie die Kinderwelt versteht. Und wer andere künstlerische Arbeiten von Daisy Hirst kennt, dem wird schnell klar, dass diese naive kindliche Art, die Welt zeichnerisch wiederzugeben, eine bewusste und zugleich gekonnte Annäherung an das visuelle Vokabular der Kinder bedeutet. (ab 3 Jahre).

Daisy Hirst: Das Mädchen mit dem Papagei auf dem Kopf. Aus dem Englischen von Sophie Birkenstädt. Aladin 2015. 32 Seiten, 14,90 Euro.

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