Bilderbuch:Das Zelt fliegt weg

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Philip Waechter zeichnet die Freuden des Campens aus eigenen Erfahrungen, mit allen Höhen und Tiefen und viel Situationskomik. Im Mittelpunkt der kleine Sohn, der das Leben nur noch genießt.

Von Verena Hoenig

"Das muss alles mit?", fragt die Mutter fassungslos angesichts von Klapptisch, Isomatten, Gaslicht, dem halben Haushalt und den Schnuffeltieren von Tim und seinem kleinen Bruder, doch Vater presst das Gepäck eifrig ins Auto. Auf der langen Fahrt nach Frankreich geht es bergauf und bergab, dazwischen werden Gymnastikpausen eingelegt. Im Stau bekommt die Mutter die zweite Krise: "Das nächste Mal nehmen wir den Zug!" Der Anblick des Meeres entschädigt für die Strapazen. Jetzt beginnt das süße Leben: Auf der Luftmatratze schlafen, Wellenreiten, Muschelketten basteln, toben, spielen, in der Hängematte liegen und am Lagerfeuer singen. Die beiden Kinder probieren Neues aus, dürfen aufstehen, wann sie wollen, und erfahren Solidarität unter Campern.

Etwa zehn Millionen Deutsche campen regelmäßig. Der Frankfurter Illustrator und Autor Philip Waechter ist einer von ihnen, wie die Widmung am Ende seines neuen Bilderbuchs Endlich wieder zelten! verrät. So verschweigt der Insider auch die Tücken nicht, etwa Streit beim Aufbauen des Zeltes, Schlechtwettertage, Besserwisser, Schnarcher und pingelige Nachbarn mit Vorzelt, feuchtem Tuch vor dem Eingang (gegen den Sand) und Handstaubsauger. Mit ausgeprägtem Gespür für Situationskomik stellt Philip Waechter den Campingplatz als kleines Universum dar. Dass der Künstler eine Art zeichnerisches Tagebuch führt, indem er jeden Abend ein persönliches, eindrückliches Erlebnis bildlich festhält, bildet sicher den Grundstock dieses Bilderbuches. Zudem besitzt Waechter ein ausgesprochenes Gespür für Kinder. Aus dem Blickwinkel des Ich-Erzählers Tim macht er deren überbordende Freude am Zelten sichtbar und setzt dabei auf comicartige Szenen und ganzseitige Bilder mit etlichen Details. Der Text ist heiter, liebevoll und bewundernswert verdichtet.

Camping mit seiner Fülle an Eindrücken und Begegnungen - das wird dem Betrachter klar - steht im Gegensatz zum All-inclusive-Urlaub. Auch wenn ein Sturm Papas uraltes Zelt in die Bäume hochfliegen lässt oder ein Schwarm Insekten zum Angriff ansetzt, sind solche Ferien für Tim das Allergrößte. "Weil Zelten nie langweilig ist und wegen der vielen, vielen Sternschnuppen!" Auf dem Bild sieht man die Brüder wohlig an ihre Eltern gekuschelt, das Spektakel am Nachthimmel beobachtend. Das Buch feiert Sommerfreuden unter freiem Himmel und die Gelegenheit, gemeinsam Schönes, Lustiges und Aufregendes zu erleben. Das rätselhafte Verschwinden des Himbeermarmeladenglases bleibt allerdings Tims Geheimnis. Genauso ist es!, werden eingefleischte Camper sagen. (ab 4 Jahre)

P hilip Waechter : Endlich wieder zelten! Beltz & Gelberg 2015. 29 Seiten, 12,95 Euro .

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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