Bildband:Die Muster des Himmels und des Erdkreises

Ein außergewöhnliches Foto-Projekt dokumentiert nun die Kuppeln Roms auf spektakuläre Weise.

Von Johan Schloemann

Durch Rom läuft man mit einem verspannten Nacken - oder besser mit einem kleinen Spiegel in der Hand. Denn unaufhörlich muss man dort ja nach oben schauen, zu den Kuppeln.

In einem Langzeitprojekt hat das auch der Berliner Grafikdesigner und Fotograf Jakob Straub getan. Er nahm die Rotunden mit einer analogen Kamera auf, immer wieder vom selben Standpunkt aus; anschließend setzte er am Computer daraus jeweils ein neutral belichtetes Idealbild zusammen. So wird das oft umwerfende dreidimensionale Erlebnis der Rundbauten streng auf die zugrunde liegende Gestalt reduziert, plattgemacht gleichsam zu einem Entwurf wie in einem alten Musterbuch der Architektur.

Straubs Vorhaben ist jetzt in einem außergewöhnlichen, ausfaltbaren Bildband dokumentiert ("Roma Rotunda", mit einem Text von Mark Gisbourne, Verlag Hatje Cantz). Neben dem formalen Experiment ist die Auswahl der Motive faszinierend: Der Fotograf verließ die Routen, die allen Touristen und Kunsthistorikern vertraut sind, er suchte die weniger bekannten Gebäude der Ewigen Stadt auf, auch in der Peripherie. Eines der Bilder zeigt das Dach des Palazzo dello Sport, der für die Olympischen Sommerspiele 1960 errichtet wurde; das andere die Kuppel der Kirche San Bernardo alle Terme (1598), in welcher der deutschrömische Maler Friedrich Overbeck begraben ist.

Gerade diese ausgreifende Egalisierung der Bauten führt vor Augen: Rom ist die Stadt der Kuppeln schlechthin. Die antiken Römer waren die ersten Meister der Bauweise, und die Mutter aller Kuppeln, das Pantheon, steht ja bis heute. Filippo Brunelleschis Domkuppel von Florenz (1418 bis 1434) und die von Michelangelo begonnene Kuppel des Petersdomes (1547- 1602) fanden bald unzählige Nachahmer, erst sakrale, dann profane. Auch verrücktere Varianten wie Sant'Ivo von Francesco Borromini kommen in Straubs Fotoprojekt vor. Und immer sieht man: Die Kuppeln in Rom verweisen auf himmlische Sphären - und zugleich auf den Anspruch, die ganze Menschheit, die Stadt und den Erdkreis zu umfassen.

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