Bildband: Christliche US-Karrieristen:Gottes Kaderschmiede

Kreuzzügler-Zucht, Homeschooling und Kreationismus-Lehre: Fotografin Jona Frank hat den fundamental-christlichen Elite-Nachwuchs der USA porträtiert.

Jeanette Kohl

9 Bilder

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Idyllisch gelegen in der saftigen Hügellandschaft Virginias, knapp 40 Meilen außerhalb von Washington D.C., bietet das presbyterianische Patrick Henry College (PHC) ein idealtypisches Erscheinungsbild: wohltemperierter architektonischer Klassizismus, makelloser Rasen in grünstem Grün und hochtalentierter Nachwuchs mit einem rigiden "dress code" und zutiefst religiöser Überzeugung. Hanna Rosin, Schriftstellerin und Journalistin des New Yorker und der Washington Post, hat der Kaderschmiede der konservativen amerikanischen Rechten kürzlich ein in den USA vieldiskutiertes Buch mit dem Titel "God's Harvard" gewidmet.

Juli, 18 Jahre (2006)

Text: Jeanette Kohl/SZ vom 09.12.08

Alle Fotos: Jona Frank/Aus der besprochenen Ausstellung.

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Das PHC ist ein Produkt des amerikanischen Neokonservatismus der Bush-Ära. Seine Gründung im Jahr 2000 fällt nicht von ungefähr mit der Wahl von George W. Bush zusammen. Spiritus Rector Michael Farris ist Initiator und Direktor der ultrakonservativen Home School League Defense Association, der es im gleichen Jahr gelang, das Recht auf "home schooling" mit Erfolg durch die juristischen Instanzen zu peitschen.

Das College erntet nun die Früchte dieser Initiative: Nahezu alle Studenten stammen aus fundamental-christlichen Familien, in denen die Mutter die Rolle des Lehrers übernimmt. Kaum ein Student hat je eine Schule von innen gesehen. Doch alle haben exzellente Ergebnisse in den sogenannten Scholastic Assessment Tests (SATs) vorgelegt, die ihnen ohne weiteres ein Studium an einem der etablierten Ivy League Colleges ermöglicht hätten.

Regan, Julis Bruder, mit einem Spielzeug-Flugzeugträger (2007)

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Die meisten jedoch wählen das PHC: aus religiöser Überzeugung, gepaart mit einem eisernen Willen zum persönlichen Erfolg. Das Ziel sind "careers of influence", vorwiegend in der Politik und den konservativen Medien. Ein Netzwerk rechtskonservativer Mentoren und ein ausgeklügeltes System hochkarätiger Praktika bringen den fundamentalistischen Nachwuchs schon früh in Kontakt mit den einflussreichsten Meinungsmachern ihrer Gegenkultur. Es gibt nur ein Ziel: die Re-Christianisierung Amerikas, vor allem jene seiner Machtzentren, Washington und Hollywood.

Rebekah, 23 Jahre, Senior (2007)

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Jeremiah Lorrig, Student im Hauptfach "Government", bringt es auf den Punkt: "Als wir diese beiden machtvollen Städte verloren, begannen wir den Kulturkrieg zu verlieren." Teil dieses Kulturkampfes ist die Ablehnung jeglicher evolutionistischer Theorien zugunsten des Kreationismus, der am PHC im Fach "Baraminology" verbindlich für alle gelehrt wird.

Zimmergenossen (2007)

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Die in Santa Monica lebende Filmemacherin und Fotografin Jona Frank hat nun einen beeindruckenden Fotoband unter dem Titel: "Right. Portraits from the Evangelical Ivy League" vorgelegt - Ergebnis einer zwei Jahre währenden Annäherung an das College. Das California Museum of Photography in Riverside, das über die umfangreichste fotografische Sammlung neben der George Eastman House Collection in Rochester verfügt, zeigt eine Auswahl der Arbeiten in der Ausstellung "The Paths of Righteousness".

Damit gelingt dem neuen Direktor Colin Westerbeck ein ebenso sensibler wie zeitlich klug gewählter Einstand. Just in dem Moment, in dem die Liberalen Amerikas und der Welt den Sieg Barack Obamas feiern, präsentiert das Museum Fotografien, die die Bush-Ära noch einmal in ganz ungewöhnlicher und subtiler Weise reflektieren.

Jona Frank besitzt die Gabe des leidenschaftslosen und zugleich engagierten Interesses, ohne je beliebig oder zynisch zu erscheinen. Sie kollaboriert mit ihrem Gegenüber, ohne vordergründig zu kommentieren. So bewegen sich ihre Porträts in einem faszinierenden Schwebezustand zwischen dokumentarischer und inszenierter Fotografie. Den Darstellern wird die Möglichkeit zur Selbstdarstellung gelassen, durch den sie sich selbst entlarven oder für sich werben.

Auto auf dem Parkplatz des Patrick Henry College (2007)

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Vielen steht der Erfolg ins Gesicht geschrieben: junge, gutaussehende Collegestudenten, in keiner Weise verhärmt oder verklärt, allenfalls ein bisschen verloren in ihren meist zu großen, geschmacklosen Anzügen und patriotischen Krawatten (man möchte ihnen laut Jimi Hendrix' "Electric Ladyland"-Album vorspielen).

Justin, 19 Jahre (2006)

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Andere wiederum umfängt eine merkwürdige Mixtur aus Naivität und Pragmatismus, wie Juli, älteste Tochter einer vielköpfigen christlich-fundamentalistischen Familie, ein "homeschooler" auch sie, die sich zum ersten Mal für einen Collegeball herausgeputzt hat. Sie kann mühelos über Platon, Kant und Kierkegaard sprechen, und doch steht sie da wie eine ausgemusterte Schaufensterpuppe, in hoffnungslos konservativer Seidenrobe.

Juli, mit einer Tanzkarte (2007)

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Und dann sind da noch Will und sein "running mate" Jayce - wie überdimensionierte Marionetten im Sonntagsanzug sitzen sie auf dem pseudo-historistischen Sofa, zwischen einem mediokren Ölgemälde des Namensgebers des Colleges, Patrick Henry, und einer aussagekräftigen Zimmerpalme.

Will und Jayce, Laufpartner (2007)

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Jona Franks sensible Porträtfotografien, von denen manche an Jeff Walls Bildinszenierungen, andere an Thomas Ruffs Porträts erinnern, sind zugleich angenehm vorurteilsfrei und doch enthüllend. Sie dokumentieren auf sehr eindrückliche Art, dass die junge, christlich-fundamentale Rechte in den USA nicht aus Sektierern besteht, sondern dass hier kulturelles Selbstbewusstsein, beinhartes Karrierestreben und der Glaube an ausgemusterte religiöse Narrative zusammengehören können - und kollektive Schubkraft besitzen.

Augen auf. Und, wie Jona Frank sagt: "Schauen Sie genau hin. Diese Studenten werden die Zukunft der amerikanischen Politik bestimmen."

Craig, 24 Jahre, Senior (2007)

"The Paths of Righteousness", California Museum of Photography, Riverside, bis 3. Januar 2009. Info: www.cmp.ucr.edu/

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