Bildband:Auf dem Rücken der Pferde

cowboys

Gegerbtes Gesicht, offener Blick: ein brasilianischer Vaqueiro in seiner handgemachten ledernen Rüstung.

(Foto: Wade Davis/Luis Fabini)

Sie sehen so aus, weil sie immer auf dem Rücken von Pferden saßen. "Amerikas Cowboys" gilt ein Bildband, der in berauschend schönen Aufnahmen die harte Realität des Wilden Westens zeigt.

Von Michaela Metz

John Wayne oder den Marlboro Man sucht man unter den Cowboys Amerikas, die dieser Bildband zeigt, vergeblich. "Das Einzige, was sie mit diesen Ikonen der Popkultur gemein haben, war die Art, wie sie sich bewegten. Wenn sie gingen, sah es aus, als hassten ihre Füße es, den Boden zu berühren. Sie liefen so, weil sie den Großteil ihres Lebens auf dem Rücken von Pferden verbracht hatten", schreibt der Anthropologe Wade Davis, der den 2016 in Kanada und dann in Deutschland erschienenen Band "Amerikas Cowboys" herausgegeben hat. Mehr als zehn Jahre lang reiste er von den Prärien Nordamerikas bis in das Hochland der Anden, um die Kultur der Cowboys mit seinen grandiosen Bildern festzuhalten.

Die Fotografien von Luis Fabini machen die raubeinigen Reiter und ihre eleganten Rösser zu Ikonen. Seit seiner Domestizierung wurde das Pferd in fast allen Kulturen verehrt. In seiner Einleitung schildert Wade Davis dessen Entwicklung vom nagergroßen Waldtier zum behuften Bewohner der Steppe und seinen enormen Einfluss auf die Geschichte des Menschen. Davis eröffnet ein Panorama von den Streitrössern, die mit den Normannen bei Hastings Britannien stürmten, den mongolischen Kleinpferden, die unter der Herrschaft von Dschingis Khan in großen Armeen durch Asien zogen. Von den nordischen Sagen, wo in Gestalt des Gottes Odin, der auf dem achtbeinigen Pferd Sleipnir durch die Lüfte reitet, geht es über den Hinduismus zum Koran, wo Mohammed nach seinem Tod auf einem Pferd in den Himmel aufsteigt.

Mit den Spaniern in der Neuen Welt dann schließt sich ein Kreis. Sie bringen die Pferde zurück auf den amerikanischen Kontinent, von wo sie einst über frühe Landbrücken nach Asien gewandert waren. Die Kolonialherren treffen auf eine Zivilisation, die noch nie zuvor ein Pferd gesehen hat. Das macht es ihnen leicht, sie zu unterwerfen. Die Anführer der Azteken und der Inkas halten Pferd und Reiter für ein einziges mythisches Wesen. Die ersten Indianer, die Pferde besaßen, waren wahrscheinlich die Apachen; durch sie wurden sie zu Nomaden, die den Büffeln durch die Steppe folgten.

Im Jahr 1521 erreichten die ersten Rinder Mexiko, die legendären Longhorns, die sich später entlang der Küste bis nach Texas ausbreiten sollten. Doch der klassische amerikanische Westen, der in den Filmen, die ihn berühmt machten, so zeitlos erscheint, hatte nur zwanzig goldene Jahre, von 1866 bis 1886. Ein Cowboy ist selbstverständlich ein weißer Held, so stellte man sich das lange vor. Tatsächlich waren ein Viertel aller Rancharbeiter in der Folge der Abschaffung der Sklaverei Schwarze. Und so gut wie alles, was wir mit dem Cowboykult verbinden, hat seine Wurzeln in Mexiko: der Slang, das Treiben der Rinder, die Brandzeichen, die breitkrempigen Hüte und hochhackigen Cowboystiefel.

Die Erfindung des Stacheldrahts bereitete den großen Viehtrecks über den Kontinent ein jähes Ende

Die Cowboykultur, das ist bekannt, erblühte in Folge eines Genozids. Die Indianervölker wurden ausgelöscht, die Büffel, ihre Lebensgrundlage, ebenso. Die Erfindung des Stacheldrahts zerhackte schnell die endlosen Weiden, beendete die großen Viehtrecks, und mit ihnen einen Mythos. Doch gibt es die Cowboys noch. Von Kanada bis Argentinien. Den Fotografien wohnt Stolz inne, es sind Porträts von gegerbten Gesichtern, vor der Zeit gealtert.

Was auffällt, ist der offene Blick der Männer direkt in die Kamera. Fabini zeigt berauschend schöne, weite Landschaften mit Szenen harter Arbeit. Zwei Cowboys, die ein Rind in ihrer Mitte im Galopp treiben, wunderschöne Pferde, Momente der Ruhe und der Aktion. Ein argentinischer Gaucho, der wie verschmolzen mit Staub und Erde am Gatter lehnt. Ein Reiter in Uruguay auf seinem stämmigen und doch maßlos eleganten Ross, den Schweif zusammengebunden. Dann die Pantaneiros im Südwesten Brasiliens, dem riesigen Sumpfgebiet Pantanal an der Grenze zu Paraguay und Bolivien. Dort sind die Rinder weiß und mager, mit einem Höcker auf dem Rücken. Die Vaqueiros der Sertão, des verdorrten Buschlands in der Mitte Brasiliens, sehen aus wie aus der Zeit gefallen in ihren ledernen Rüstungen, die sie und ihre Pferde gegen die Dornen der Caatinga, den nahezu undurchdringlichen Busch, schützen. Wenn es einen Ort gibt, den Gott vergessen hat, dann ist er hier.

Wade Davis und Luis Fabini: Amerikas Cowboys. Aus dem Englischen von Philip Laubach-Kiani. Sieveking Verlag, München 2016, 156 Seiten, 107 Abb., 49,90 Euro

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: