Bildband:Alles über "Mad Men"

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(Foto: 2016 Lions Gate Entertainment)

Die Fernsehserie "Mad Men" zelebrierte die hohe Kunst des stilvollen Scheiterns und zeichnete die Umbrüche der Sixties nach. Nun kann man alle sieben Staffeln nochmals rekapitulieren, in einem angemessen spektakulären Doppelband.

Von Bernd Graff

Ist es nicht seltsam, dass einem der Himmelsturz eines in der Werbesonne verbrannten Mannes attraktiv erscheint, wenn dieser moderne Ikarus in einem gut geschnittenen Anzug an den Verführungsfassaden der Sechzigerjahre vorbei in sein Unheil stürzt? Blöde Frage. Denn seitdem die Welt einen solchen tiefen Fall immer wieder und insgesamt 92 Mal in Zeitlupe mitverfolgten konnte, gehört dieses Bild eines formvollendeten Scheiterns zur popkulturellen Ikonografie unseres jungen Jahrtausends. Die US-Fernsehserie "Mad Men", vom Kabelsender AMC zwischen 2007 und 2015 ausgestrahlt, leistete sich jenen scherenschnittartigen Vorspann, in dem der Protagonist, der vermeintliche Superstar der Werbebranche, von der allerersten Folge an als Scheiternder charakterisiert wird. Alles Lüge und Betrug. Nichts stimmt am schönen Schein, den er kreieren soll. Die sieben Staffeln "Mad Men" schrieben Fernsehgeschichte. Angesiedelt in einer fiktiven Werbeagentur im New York der Sechzigerjahre, zeichnen sie die gesellschaftlichen Umbrüche nach, die dieses Jahrzehnt auch ästhetisch zu einem Jahrhundertscharnier haben werden lassen.

Don Draper heißt der traurige Werbe- und Frauenheld von dubioser Herkunft, der keine Gelegenheit auslässt, sein Leben zu verpassen, der seine Gesundheit und den klaren Verstand ruiniert bei der Anstrengung, wenigstens den missgünstigen Kollegen eine Kreatividee voraus zu sein (auf unserem Bild aus der 4. Staffel beim bald aufgegebenen Versuch, wieder fitter zu werden). Doch richtig auf die Kampagnenhöhe dieses radikalen Jahrzehnts kommen die "Mad Men" nie. Klar, man ist auch so ziemlich erfolgreich, aber wer ist das in diesen Jahren des Aufbruchs und des Fortschrittglaubens nicht. Oft sieht man Draper in den Magazinen jene inzwischen historisch gewordenen Anzeigen studieren, die den Style der Sixties tatsächlich definierten. Freche, gewagte Anzeigen, für die mutige Kunden riesige Budgets bereitstellten, um ihren Marken Weltgeltung zu verschaffen. VW gelang dies mit den grandiosen Understatements für den "Beetle" etwa. Die Globalisierung beginnt dementsprechend mit dem Ohrwurm, den ein Werbespot gestiftet hat. Mit dem berühmten Flower-Power-Spot von Coca-Cola aus dem Jahr 1971 läuft die letzte Staffel aus. Doch auch dieser stammt natürlich nicht aus Drapers Agentur.

Was den Helden in der Serie verwehrt bleibt, schaffte die Serie selber: Sie wurde zum stilbildenden Ereignis von Weltformat. Ihrem Autor Matthew Weiner gelang es, die heute unfassbar anmutenden Geschlechterrollen und Umgangsformen dieser Zeit ebenso abzubilden wie die politischen, ästhetischen und gesellschaftlichen Ereignisse der Ära: Kubakrise, die Ermordung von J. F. Kennedy, Pop-Art und Rolling Stones, Marilyn Monroe und Muhammad Ali, Mondlandung und Vietnamkrieg. Diesem Fernsehspektakel hat der Taschen-Verlag einen angemessen spektakulären Doppelbildband gewidmet, der in dieser Woche erscheint (Matthew Weiner: Mad Men. Zwei Bände, 1048 Seiten. Berlin 2017, 150 Euro). Neben der Dokumentation aller Staffeln ist es vor allem der Interview-Teil, der Aufschluss gibt über die Dreharbeiten und Recherchen zu historischen Interieurs und Kostümentwürfen. "Wir erschaffen Typen", sagt Weiner, "aus den Mythen heraus, die wir erzählen. Nicht umgekehrt. Ich wusste zuerst, was mich interessierte. Daraus habe ich meine Charaktere entwickelt."

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