"Bild" und Presserat:Diekmanns Irrfahrten

Wen interessiert schon eine Mahnung: Nachdem Bild vom Deutschen Presserat wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Khaled el-Masri gerügt wurde, hetzt das Blatt demonstrativ weiter.

Hans Leyendecker

Der Deutsche Presserat beschäftigt sich mit unterschiedlichsten journalistischen Gräueln und nach Ziffer 16 seines Pressekodex entspricht es "fairer Berichterstattung ... öffentlich ausgesprochene Rügen abzudrucken, insbesondere in den betroffenen Presseorganen". Als der Geschäftsführer des Selbstkontroll-Gremiums der Printmedien, Lutz Tillmanns, an diesem Donnerstag in die Bild-Zeitung schaute war er "verblüfft, in welcher Form" das Boulevardblatt eine Rüge ins Blatt gehoben hatte. Unter der Überschrift "Irre! Presserat rügt Bild wegen dieses Brandstifters" berichtete das Blatt auf 110 Zeilen über eine Maßregelung der Presserats, die vor zweieinhalb Monaten ergangen war.

Ausriss sueddeutsche.de

"Irre! Presserat rügt 'Bild' wegen dieses Brandstifters": "Bild" verteidigt die Berichterstattung über Khaled el-Masri.

(Foto: Ausriss: sueddeutsche.de)

In der Ausgabe vom 19. Mai 2007 hatte die Zeitung unter der Schlagzeile "Warum lassen wir uns von so einem terrorisieren?" über den Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri berichtet, der 2004 von der CIA nach Afghanistan verschleppt, monatelang festgehalten und vermutlich auch misshandelt worden ist. Die Zeitung bezeichnete den Schwaben als "Islamisten", "durchgeknallten Schläger", "Querulanten", "Brandstifter" und fragte, ob er ein Lügner sei.

Nach einem Brandanschlag auf einen Metro-Markt sitze der "irre Deutsch-Libanese", der als "angebliches Folter-Opfer die Bundesregierung, Parlament und Öffentlichkeit terrorisiert" habe, in einer Psychoklinik und warte auf "sein Gutachten, ob er schuldfähig ist - oder einfach nur irre".

"Diese Entgleisung ist selbst für Bild-Standards beachtlich", kommentierte daraufhin die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Aufgrund von zwei Beschwerden erkannte der Presserat in dem Bild- Bericht "eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts", weil der offenkundig psychisch kranke Mann als irre bezeichnet worden sei. "Diese Art der Darstellung geht gerade im Hinblick auf diese Krankheit el-Masris eindeutig zu weit". Jetzt erklärt Bild unter Bezug auf die Rüge: "Wir stehen zu unserer Darstellung." Bild kämpft: "Wir werden unsere Berichterstattung nicht weichspülen - so wenig wie bei Hasspredigern, Nazis oder sonstigem durchgeknallten Gesindel".

Wahrigs Deutsches Wörterbuch übersetzt den Begriff "Gesindel" mit "betrügerischen, verachtenswerten Menschen, Pack" - "wie nur so viel verflucht Gesindel im engen Hause sich verkroch!" schrieb Johann Wolfgang von Goethe in seinem Gedicht "Der Müllerin Verrat".

Der Ton, den Bild anschlägt, ist keine Lyrik, aber dieser Fall ist auch Sache des Chefs, und der ist kein Poet. Chefredakteur Kai Diekmann verbreitet sich in seinem Buch "Der große Selbstbetrug" über "Betroffenheitsagitatoren", die im Fall des ehemaligen Guantanamo-Opfers Murat Kurnaz, die rot-grüne Politik kritisiert hätten und im Zusammenhang mit dem Fall el-Masri schreibt Diekmann, stellten sich "viele Fragen".

Fraglich sei beispielsweise, "ob Misshandlung ein zulässiges Mittel der Befragung ist und wo die Grenzen liegen." El-Masri wird sich ab 10. Dezember wegen des Brandanschlags vor Gericht verantworten müssen und sein Anwalt Manfred R. Gnjdic kündigte am Donnerstag mit Blick auf den Bild-Artikel eine Strafanzeige wegen übler Nachrede und Beleidigung gegen die Verantwortlichen an. Diese sehr spezielle Berichterstattung über eine öffentliche Rüge könnte, theoretisch zumindest, ein neuer Fall für den Presserat sein.

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