"Besuch der alten Dame":Eine Mischform

Internationales Figurentheaterfestival "große KLEINE Welt"14. - 25. Oktober 2015 (PR Material)

Foto: Falk Wenzel

Von Sabine Leucht

In dem Dürrenmatt-Klassiker "Der Besuch der alten Dame" beim Münchner Figurentheater-Festival probiert das Puppentheater Halle eine besondere Synthese aus Schau- und Puppenspiel, indem die Rolle der reichen Dame Claire Zachanassian von der Berliner Film- und Theaterschauspielerin Ursula Werner übernommen wird, während die heruntergekommenen Bürger der Kleinstadt ihrer Kindheit hyperrealistische kleinkindgroße Puppen sind, hinter denen die schwarz maskierten Spieler wie im japanischen Bunraku unsichtbar bleiben. Doch sie treten hervor, reißen sich erst die Masken vom Kopf und emanzipieren sich schließlich ganz von ihren Figuren, in dem Maße, in dem die geschlossene Gesellschaft des Ortes zerfällt und die Gier, die Angst, das Gewissen oder das Verantwortungsgefühl des Einzelnen in den Vordergrund tritt. Das ist symbolisch, aber nie platt. Der Umgang mit der Figur reicht vom detailliert illusionistischen Spiel über das sachliche Drapieren bis zur fast zärtlichen Kumpanei - und ist immer auch inhaltlich gedeckt.

Auch im Kinderprogramm des Festivals fanden sich spannende Erzählweisen und Erzählerinnen: Wenn etwa Ulrike Monecke vom Berliner Theater Ozelot die Geschichte der "Mutigen Prinzessin Glücklos" erzählt, sind Scherenschnitte und der goldene Zauberfaden, mit dem die Wahrsagerin der vom Pech verfolgten Königsfamilie ihren Weg weist, zwar nette Details. Eine Urgewalt aber tobt in Gestalt von Monecke selbst über die Bühne. Ob sie sich mit einer Lage ihrer langen Röcke vermummt oder als personifiziertes Unglück in ihre mit Pet-Flaschen unterlegten Pantoffeln schlüpft: Wie sie das macht und dabei nie den Erzählfaden aus der Hand gibt, ist toll. Toll und ebenfalls im Schauspiel geerdet ist aber auch der "Nils Holgersson" vom Figurentheater "Die Exen" aus Passau, in dem zwei Frauen mit tantigem Habitus und Uralt-Tageslichtprojektor einen "Märchenvortrag" ankündigen, dann aber ein furioses, mehrlagiges und präzise getimtes Schattentheater mit vorgefertigten Bildern intervenieren lassen. Ein respektloser Elch brüllt darin vor der schwedischen Flagge "Buäh!", der Schatten des bösen Fuchses wird von einer der "Tanten" mit dem Schal von der Leinwand "entfernt" und frisch geschlüpfte Handschattenküken werden so ausschweifend "süüß" gefunden, dass man sich auch auf der Bühne erst mal peinlich berührt an- und umschaut, bevor es weitergehen kann. Mitreißend auf mehrerlei Weise.

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