Besondere Aktion:Orchester macht Schule

BRSO-Mitglieder touren als Pädagogen durch Bayern

Von Barbara Hordych

Die Wissbegierde der Schülerinnen ist groß. "Wie ist das, wenn man bei Ihnen vorspielt? Stimmt es, dass man dabei nicht gesehen werden soll?", will eine Schülerin wissen. Sie ist eine von 50 Gymnasiastinnen des Maria-Ward-Gymnasiums, die zu einem ganz besonderen Musikunterricht ins Museum "Mensch und Natur" gekommen sind. Ein Unterricht, bei dem es besondere Musik gibt (Pavel Haas' Streichquartett mit Schlagzeug "Von den Affenbergen"), aber eben auch Platz und Zeit für besondere Fragen. "Als ich mich vor 35 Jahren beim Orchester vorstellte, habe ich noch hinter einem Paravent gespielt", antwortet Schlagzeuger Markus Steckeler. Damit die Zuhörer wirklich nach dem Gehör gingen und nicht nach der Optik oder dem Geschlecht. "Das war 1981, zu der Zeit gab es nur drei Frauen im Orcheste", ergänzt er.

Steckeler ist der Älteste der fünf Musiker des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO), die heute den Jugendlichen Rede und Antwort stehen. Er und seine vier Kollegen sind im Juni auf einer Bayerntournee durch Schulen, die sich für das Education-Programm des BRSO) beworben haben. Nach zwei Konzerten in München geht es weiter nach Würzburg, Gunzenhausen, Oettingen und Wolznach. Bewusst wurden auch im zweiten Jahr des Projekts wieder Schulen ausgewählt, die nicht ohne weiteres die Möglichkeit haben, mit dem Symphonieorchester oder überhaupt mit professionellen Musikern in Kontakt zu treten, erklärt Maxie von Neumann-Cosel vom Education-Programm des BR, die das Gesprächskonzert moderiert. Entweder, weil die An- und Abreise nach München zu lang ist oder weil es keinen oder nur kaum Musikunterricht an der jeweiligen Schule gibt. Pro Schule präsentieren die Symphoniker zwei Konzerte vor maximal 200 Kindern - wenn die Schulen nicht so viele Schüler haben, was auf dem Land immer mal wieder vorkommen kann, laden sie auch Nachbarschulen, Tagesheime oder Kindergärten mit dazu.

Die Musiker sind zwar keine Pädagogen, aber mit einer deutlich spürbaren Leidenschaft für das Vermitteln ihrer Kunst am Werke - und ihres Berufs. Und so antworten sie auch gerne auf die Frage nach dem Start in die Karriere. Der Jüngste der Formation, der Violoncello-Spieler Samuel Lutzker, spielt erst seit drei Jahren bei den BR-Symphonikern. Er hat dieses "unsichtbare Vorspielen", von dem Schlagzeuger Steckeler erzählt, nicht mehr kennengelernt. Aber es gebe Kollegen, die bei einem Vorspiel immer noch die Augen schließen würden, um "blind" ohne Ansehen der Person sich ganz auf die Musik konzentrieren zu können, berichtet Steckeler..

Natürlich geht es bei der Schultour vor allem aber um die Musik, Während von Neumann-Cosel die einzelnen Sätze aus dem Streichquartett thematisch erläutert, bringen die Musiker Auszüge zu Gehör, demonstrieren verschiedene Klangeffekte und -malereien in Haas' Quartett. Das entstand im Jahr 1925. Und geriet über Jahrzehnte in Vergessenheit. Denn der tschechische Komponist wurde 1941 in das KZ Theresienstadt deportiert, 1944 im Alter von 44 Jahren in Auschwitz ermordet. Auch darüber berichten die Schülerinnen des Projektseminars der elften Jahrgangsstufe, die das Konzert mit ihren eigenen Beiträgen ergänzen. Die Schülerinnen hatten den Auftrag, ihre eigenen Ideen zum dritten Satz "Der Mond und ich" zu assoziieren. Entdeckungen machten bei diesem Konzert übrigens nicht nur die Schüler. Bezüglich Haas' Werk gebe es leider eine große Diskrepanz zwischen Bekanntheitsgrad und Qualität, erklärt Markus Steckeler. "Seit 35 Jahren spiele ich in klassischen Orchestern - aber dieses Juwel stand nie auf dem Programm; es war für Jahrzehnte verschwunden" - eine lohnende Schultour auch für ihn.

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