Bertelsmann: Ende von Ariola:Am Tag, als der Regen kam

Früher amüsierte Ariola den Vorstand mit Tanzmusik und Cashflow. Jetzt wird das erfolgreiche Plattenlabel ausrangiert - ein Schicksal bei Bertelsmann.

Hans-Jürgen Jakobs

Aufsichtsratssitzungen im Großkonzern sind langweilig. Charts und Tortendiagramme werden an die Wand geworfen, die eine Botschaft haben: Es geht aufwärts! Auch bei Bertelsmann in Gütersloh war das nicht anders - bis der Musikvorstand Egmont ("Monti") Lüftner einmal das Video zum Hit "I Wanna Dance With Somebody" von Whitney Houston vorspielte. Da kam Schwung in den Aufsichtsrat und das seinerzeitige Mitglied Gerd Bucerius, im Hauptberuf Verleger der Zeit, bat um Wiederholung.

Bertelsmann: Ende von Ariola: Star der transeuropäischen Schlagerallianz: Peter Alexander.

Star der transeuropäischen Schlagerallianz: Peter Alexander.

(Foto: Foto: Bertelsmann)

Doch die Tage sind lange vorbei, als Whitney Houston - damals noch von Berichten rund um Kokain verschont - unentwegt für Welthits sorgte und viel Geld brachte. Nach Jahren der kreativen Depression haben die Gütersloher nun ihre Bertelsmann Music Group (BMG) für 800 Millionen Euro an Sony verkauft - und das ausgerechnet kurz nach dem 50. Geburtstag ihrer Plattentochter Ariola. Die war einmal Synonym für deutsche Massenkultur, so etwas wie Eierlikör, Bienenstich und Toast Hawaii.

Wer will schon ausrangiert werden, wenn er einmal 50 geworden ist und so viel geleistet hat für die Fröhlichkeit im Land und den Cashflow der Eigentümer? Es war am 12. Mai 1958, als aus Bertelsmann Schallplatten die Firma Ariola wurde. Hier sollten Stars für die hauseigenen Buch- und Schallplattenklubs des Konzernerbauers Reinhard Mohn tätig werden. Einer der eloquenten Vertreter, die für Mohn Klubmitglieder warben, war der Österreicher Lüftner. Der kümmerte sich dann um die Musik.

Der "Mister Ariola" von einst schaukelt in diesen Tagen mit seinem Boot auf dem Wörthersee und sagt, er könne die Entscheidung von Bertelsmann gut nachvollziehen, auch wenn er eine "Träne im Knopfloch" habe. Musik sei zwar noch immer populär und die Konzerte ausverkauft, doch das Tonträgergeschäft habe sich in der digitalen Welt radikal verändert. Die Musik werde nicht mehr gekauft, sondern oft einfach geklaut.

"Gitarren klingen leise durch die Nacht" mit Jimmy Makulis war der erste Hit von Ariola, es folgte "Am Tag als der Regen kam" mit Dalida. Und dann brachte Lüftner den Österreicher Udo Jürgens ("Merci Cherie"), die Französin Mireille Mathieu und den kleinen Holländer Heintje herbei, der mit "Mama" die deutsche Hausfrau rührte.

Die transeuropäische Schlagerallianz legte, unterstützt von Künstlern wie Peter Alexander, Peter Maffay und Heino, schwungvoll am Standort München los. Es gab kein Entkommen vor Ariola. Einmal kam ein junger Engländer mit Sandalen und Bart ins Büro und suchte einen Partner für eine Platte namens "Tubular Bells" des damals unbekannten Mike Oldfield; der Sandalenmann war Richard Branson, der später den Konzern Virgin gründete.

"Ich habe die Musik gut behandelt und sie mich auch", bilanziert Lüftner. Die Ariola-Strategen hatten das sichere Gefühl, dass die Musik nach ihren Tönen spielt, und begannen, große US-Labels wie Arista oder RCA zu kaufen. Ende der neunziger Jahre bot der seinerzeitige Vorstandschef Thomas Middelhoff sogar jedem Journalist eine Champagnerwette an, der daran zweifelte, dass seine BMG bald Weltmarktführer sein werde.

Es kam anders: Die Welt ist schließlich keine Scheibe, dachten sie sich jetzt in Gütersloh und warteten mit dem Verkauf von BMG erst gar nicht die offizielle Geburtstagsparty von Ariola im September ab. Das war gemein, weil Udo Jürgens oder Mireille Mathieu verlässlich ihre Ständchen gebracht haben, wenn es bei Bertelsmann oder Patron Mohn all die Jahre etwas zu feiern gab. Jetzt aber gehört Ariola Japanern und der Ex-Musikchef Lüftner sagt: "Die Künstler sind dort sehr gut aufgehoben, das alte Management bleibt ja erhalten."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: