Berlusconi und die Medien:Il Signore und seine Hündchen

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Die Berlusconi-Regierung wehrt sich gegen den Vorwurf, sie würde die italienischen Medien an der kurzen Leine halten. Doch die Presse in Italien ist nur bedingt frei.

J. Müller-Meiningen

Man müsse nur zum Zeitungskiosk gehen oder abends die Sender des staalichen Fernsehens einschalten, um zu sehen, dass in Italien die Presse frei ist. Das hat Paolo Bonaiuti gesagt, Sprecher der Regierung von Silvio Berlusconi. Diese wehrt sich gegen den Vorwurf, die italienischen Medien an der kurzen Leine zu halten.

Silvio Berlusconi mag es nicht, wenn das italienische Fernsehen "mit dem Geld aller" die Regierung angreift. (Foto: Foto: Reuters)

Bonaiuti hat recht. Am Kiosk haben die Italiener eine breite Auswahl an teilweise sehr regierungskritischen Blättern bis hin zum erklärt kommunistischen "Il Manifesto". Und wer abends die Sender Rai 2 oder Rai 3 einschaltet, der sieht zuweilen Sendungen, in denen Berlusconi und die Seinen besonders schlecht wegkommen.

Bedingt freie Presse

Ist die große Demonstration, zu der die Journalistenverbände am Samstag in Rom aufgerufen haben, also eine "Farce", wie der Regierungschef selbst behauptet?

Das anerkannte US-Forschungsinstitut Freedom House hat Italien im Frühjahr erstmals zu den Ländern gerechnet, in denen die Presse nicht mehr "frei", sondern nur noch "bedingt frei" ist. "Wir erleben einen scheinbaren Pluralismus, in der Substanz herrscht, aber eine autoritäre Kontrolle der Information", behauptet der Journalist und Jurist Stefano Rodotà.

Die Episoden, die die Journalistengewerkschaft Fnsi zum Anlass der öffentlichen Kundgebung nimmt, sind zahlreich. Da ist nicht nur Berlusconis nach wie vor ungelöster Interessenskonflikt als Regierungschef, der als Medienunternehmer den Großteil des privaten Fernsehmarktes kontrolliert. Die Veranstalter halten etwa die Klagen Berlusconis gegen die Zeitungen La Repubblica und L'Unità wegen deren Berichterstattung über die Prostitutionsaffäre des Ministerpräsidenten für einen Einschüchterungsversuch. Nach einem neuen Gesetz der Regierung droht Journalisten, die Protokolle abgehörter Telefonate veröffentlichen, bis zu drei Jahren Gefängnis.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Silvio Berlusconi selbst unter einem funktionierenden Pressewesen versteht.

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über Silvio Berlusconi

Besonders am Fernsehen, das Untersuchungen zufolge knapp 70 Prozent der Italiener zur Meinungsbildung dient, entzündet sich der Streit. Zu Beginn der neuen Saison behielt sich die Direktion des Staatsfernsehens Rai vor, die Verträge kritischer Journalisten zu verlängern. Die politische Talkshow "Ballaró" auf Rai 2 wurde verschoben, als der Ministerpräsident gleichzeitig im ersten Kanal interviewt wurde. Die Rai weigerte sich auch, Werbespots für den medien-kritischen Kinofilm "Videocracy" zu senden.

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Fernsehen unter Parteieinfluss

Und um die polemisch geführte Talkshow "Annozero" des Journalisten Michele Santoro ist ein absurder Streit entbrannt: Die nach politischem Proporz eingesetzte Rai-Direktion weigerte sich, den Vertrag des Journalisten Marco Travaglio zu verlängern, dessen giftige Editorials die Diskussion bei "Annozero" anheizen.

Vergangene Woche starteten regierungsfreundliche Zeitungen eine Kampagne, in der sie wegen "Annozero" dazu aufriefen, keine Fernsehgebühren mehr zu zahlen. Die Regierung leitete eine Untersuchung ein, um "die Unparteilichkeit der Sendung" zu überprüfen. Ein absurder Einfall, da die Sender des Staatsfernsehen seit jeher unter dem Einfluss der Parteien stehen.

Doch deutlicher als Berlusconi selbst hat das eigene Verständnis über ein funktionierendes Pressewesen noch keiner illustriert. Auf einer Pressekonferenz im August in Rom antwortete der Ministerpräsident auf die Frage einer Reporterin des Nachrichtensendung von Rai 3: "Sie arbeiten für einen Sender, der gestern vier Nachrichten gebracht hat, alle negativ gegen die Regierung. Wir können nicht mehr zulassen, dass die Rai als einziges Fernsehen in der Welt mit dem Geld aller die Regierung angreift."

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