Berliner Stadtschloss:Das Schweigen der Mitte

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Nun, da der Wiederaufbau verschoben wird, zeigt sich, dass die meisten Berliner ganz auf das Schloss verzichten wollen. Warum hat sich der Unmut nicht vorher geäußert?

Laura Weissmüller

Nach der Entscheidung der Bundesregierung, den Wiederaufbau des Schlosses auf 2014 zu verschieben, macht sich in Kommentaren und Äußerungen Erleichterung breit. Viele hoffen, damit sei das umstrittene Projekt ganz gestorben.

Die Forsa-Umfrage, die noch vor dem Beschluss ermittelte, dass angesichts der derzeitigen Haushaltslage von Bund und Ländern 80 Prozent der Berliner ganz auf das Schloss verzichten wollen, scheint sich damit zu bestätigen. Nur: Warum hat sich der Unmut über das geplante Humboldt-Forum so selten öffentlich geäußert?

Haben doch gerade die Vertreter der Kreativindustrie, die den Charakter Berlins schließlich so prägen, das Projekt fast einhellig abgelehnt. Doch außer den Palast-Befürwortern, die sich den Vorwurf der DDR-Nostalgie gefallen lassen mussten, gab es kaum Bürgerinitiativen. Die kreative Mitte schwieg.

"Der Bundestag, der 2002 mit großer Mehrheit den Wiederaufbau des Schlosses beschlossen hat, hat mit seiner Entscheidung viele gelähmt", sagt Christian von Borries, einer der Mitbegründer von "Alexandertechnik". Die Gruppe aus Künstlern, Politikaktivisten und Wissenschaftlern hat sich Anfang 2009 gegründet, um gemeinsam gegen die Idee des Humboldt-Forums zu protestieren.

Die Mitglieder von "Alexandertechnik" lehnen das Projekt aus unterschiedlichen Gründen ab: ästhetisch, weil mit dem vorgesehenen Architekturentwurf von Franco Stella eine "Pseudohistorizität" realisiert werden würde, geschichtlich wegen des vorangegangenen Abrisses des Palasts der Republik, und inhaltlich, weil sie die Idee, die außereuropäischen Sammlungen hinter einer preußischen Schlossfassade auszustellen, für absurd halten: "Die Sammlungen werden dadurch in eine bauliche Hülle gesteckt, deren Geschichte deckungsgleich mit der kolonialen und wissenschaftlich-hegemonialen Sammlungsgeschichte ist", hieß es bei einer Veranstaltung der Gruppe in Berlin.

Für die Initiative war es gleichwohl schwer, sich an den wichtigen Stellen Gehör zu verschaffen: Zu der Informationsveranstaltung in den Sophiensaelen, die Mitte Juli vergangenen Jahres in Berlin stattfand, seien zwar viele gekommen, doch weder Schloss-Befürworter noch Vertreter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz - die vorgesehenen Hauptnutzer des Humboldt-Forums - seien erschienen, so Christian von Borries. Die vielen unterschiedlichen Argumente haben es der Gruppe zudem nicht leicht gemacht, ihr Anliegen zu vermitteln.

Deswegen geht von Borries auch nicht davon aus, dass die Berliner das Schloss-Projekt aufgrund ihres Engagements ablehnen. Vielmehr wüssten die Bewohner einfach, wie arm ihre Stadt sei und würden sich fragen, warum sie bei all den Museen noch Geld für ein weiteres ausgeben sollen. "Trotzdem war es befriedigend zu sehen, dass wir in die Diskussion Knüppel schmeißen konnten, die auch noch Hand und Fuß hatten", so der Komponist. Die Krise habe schließlich nur das beschleunigt, "was in der Luft gelegen hat".

Dass die Berliner gleichwohl sehr gut mit solchen Krisenentscheidungen umgehen können, zeigt eine andere Grünfläche in der Stadt - fast genauso geschichtsträchtig und mit 380 Hektar sogar noch deutlich größer als der Schlossplatz in Mitte: die Rasenfläche des 2008 geschlossenen Flughafens Tempelhof.

Erst 2013 soll hier mit der Parkgestaltung begonnen werden, bis dahin hat das Gelände weder Baum noch Bank zu bieten. Trotzdem versammelt sich hier seit der Öffnung des Areals vor ein paar Wochen das typische Berliner Parkpublikum: von der grillenden türkischen Großfamilie bis hin zum hippen Designerpaar. Besonders beliebt bei allen ist dabei das Drachensteigen. Viel mehr als Luft braucht man dazu nicht.

© SZ vom 10.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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