Berlinale-"Shootingstar" David Kross:Schüchtern zum Ruhm

"Da steht man nackt in der Badewanne": Der Holsteiner David Kross spielt den Liebhaber von Kate Winslet. Dafür wartete Hollywood auf seine Volljährigkeit. Nun feiert ihn die Berlinale.

Laura Weißmüller

Die Jugend eignet sich nicht immer fürs Rampenlicht. Der Körper ist schlaksig, die Gesichtszüge wie mit einem Weichzeichner überzogen und der Kleidungsstil oft extrem. Schließlich soll man ihn ja erst noch finden, den eigenen Stil.

Berlinale-"Shootingstar" David Kross: Entdeckt im Film, dass seine erste Liebe ein Monster ist: David Kross mit Kate Winslet in "Der Vorleser".

Entdeckt im Film, dass seine erste Liebe ein Monster ist: David Kross mit Kate Winslet in "Der Vorleser".

(Foto: Foto: dpa)

David Kross hatte wenig Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, er hat die vergangenen Jahren vor der Kamera verbracht. Gerade hat er seinen vierten Film abgedreht, für den dritten steht er Ende dieser Woche mit Kate Winslet auf dem roten Teppich der Berlinale. Der 18-Jährige spielt in der Bestsellerverfilmung "Der Vorleser" die Hauptfigur: den 15-jährigen Michael, der sich in die ehemalige KZ-Aufseherin Hannah verliebt, ohne ihre Vorgeschichte zu kennen. Der Film ist gleich in mehreren Kategorien ein Oscar-Anwärter. Und auf der diesjährigen Berlinale ist Kross einer der europäischen "Shooting Stars 2009". Mehr Rampenlicht für einen Jugendlichen geht gerade nicht.

"Natürlich wäre es besser, wenn ich die Filme erst gemacht hätte, wenn ich 25 Jahre alt bin", sagt David Kross und vergräbt beide Hände tief in die Taschen seines Kapuzenpullis. Vor der Kamera spielt er so, als wollte er ständig alle Fenster zu seiner Seele aufreißen, hinter der Kamera ist ihm die Seelenschau dagegen eher unangenehm. Seine Augen sind so groß wie auf der Leinwand, nur der Blick ist schüchtern und flüchtet oft aus dem Fenster. Wenn sich seine Hände nicht in den Taschen verstecken, dann verschwinden sie in der Sofaritze oder spielen mit einer Zigarette. David Kross redet nicht gerne über David Kross.

Vielleicht ist ja alles auch wirklich so einfach, wie er es erzählt. Aufgewachsen in dem knapp 15 000 Einwohner großen Provinzstädtchen Bargteheide in Schleswig-Holstein, war er schon als Junge begeistert von den Weihnachtsaufführungen im einzigen Theater am Ort. Er fing an zu spielen und mochte es am liebsten, wenn es ernst wurde, "man alles andere vergessen konnte und einfach nur die Rolle war". Genauso spielt er auch heute noch: einfach nur die Rolle, aber derart unmittelbar, dass es dem Betrachter oft so geht wie seiner Filmmutter in "Der Vorleser": "Michael lügt nicht", sagt sie dort mit Inbrunst. Auch mag David Kross dabei ein Gesicht helfen, das "unschuldig" zu nennen eine Untertreibung wäre.

Am Anfang war Buck

Am Anfang der Filmkarriere von David Kross stand Detlev Buck: Zwar ist die Geschichte falsch, der Regisseur habe den Hinweis auf das außergewöhnliche Talent von seiner Tochter bekommen, die das selbe Gymnasium wie Kross besuchte, doch der Jugendliche überzeugte 2006 in Bucks düsterem Neuköllner Sozialdrama "Knallhart" auch ohne Entdeckungsmythos.

Im Film zeigt er die Entwicklung eines behüteten Berliner Vorstadtjungen zum Drogendealer, der schließlich selbst abdrückt. Wie spielt man das als 15-Jähriger aus Bargteheide? "Ich stelle mir im Kopf vor, was würde ich machen in der Situation", sagt Kross langsam und wiederholt den Satz nochmal als würde er jedes einzelne Wort prüfen. Wenn ihm etwas wichtig ist, dann macht er das so. Aber weniger, um die Aussage zu betonen, als vielmehr um sich selbst davon zu überzeugen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie David Kross die Liebesszenen mit Kate Winslet fand.

Schüchtern zum Ruhm

David Kross formuliert seine Sätze behutsam und lässt sie gerne nachklingen. Wenn ihm das zu bedeutungsschwanger wird oder er den Faden verloren hat, füllt er den Raum plötzlich mit einem überraschend tiefen Lachen. Sein bubenhaftes Gesicht passt nicht recht zu der Stimme des Erwachsenen.

Kapitän Ahab in der Badewanne

Nur ein paar Monate nachdem "Knallhart" auf der Berlinale 2006 für Aufsehen gesorgt hatte, stand David Kross schon wieder vor der Kamera. Auch in der Verfilmung von Otfried Preußlers Jugendbuch "Krabat" übernahm er die Hauptrolle. Erfahrene Jungstars wie Daniel Brühl und Robert Stadelober mussten sich mit Nebenrollen begnügen.

Gleich nach "Krabat" begangen im Herbst 2007 die Dreharbeiten für "Der Vorleser". Die Schule muss seitdem warten, dafür arbeitet Kross mit Kate Winslet, Ralph Fiennes und Bruno Ganz. Doch der 18-Jährige wirkt bescheiden, wenn er von der internationalen Produktion spricht. Natürlich sei er aufgeregt gewesen und die Sexszenen mit der fast doppelt so alten Kate Winslet, die in dem Film die KZ-Aufseherin Hannah Schmitz spielt, hätten ihn viel Überwindung gekostet. Sie haben mit diesem pikanten Teil des Drehs extra auf seine Volljährigkeit gewartet. Aber "dann steht man eben irgendwann einfach nackt in der Badewanne und spielt Kapitän Ahab". Bei Kross klingt das sehr einfach.

Auf der Suche nach einer günstigen Wohnung

Das Vorlesen hat der Schauspieler für den Film nicht nur mit einem englischen Sprachtrainer einstudiert, sondern auch vor seinen beiden jüngeren Geschwistern in Bargteheide geprobt. Kross lebt, wenn er nicht filmt, noch zu Hause. Für die Dreharbeiten zu "Der Vorleser" wohnte er jetzt aber in Berlin und genoss die Anonymität dort. Deswegen möchte er auch bald in die Hauptstadt ziehen, nur die Wohnungssuche macht ihm noch Sorgen. "Eine billige und gute Wohnung zu finden, ist schwierig", sagt Kross. Schauspielerallüren sind dem Jungstar noch fremd.

Hat er Vorbilder? "Vorbilder versucht man nachzuahmen, aber wenn man sein Vorbild nachahmt, dazu man selber ist und auch noch einen Charakter spielen muss, spielt man auf einmal drei Leute und das ist zu viel", erklärt Kross. Gleichwohl hält er Kate Winslet für die beste Schauspielerin der Welt - natürlich - und Bruno Granz bewundert er sehr. Mit sich selbst ist er kritischer: "Ich bin nie hundert Prozent zufrieden", sagt er und fügt hinzu, dass er sich nicht gerne auf der Leinwand sieht. Die Hände verschwinden wieder in der Sofaritze.

Die erste Liebe ist ein Monster

Ähnlich wie bei "Krabat" ist auch "Der Vorleser" die Verfilmung eines Bestsellers. Dass er mit seiner Darstellung des Michaels nicht alle Leser des Romans von Bernhard Schlink zufriedenstellen kann, sieht er gelassen: "Jeder hat ja seinen eigenen Michael und dem kann ich gar nicht gerecht werden. Ich muss meinen Michael geben", sagt er artig. Wer den Schauspieler im Film sieht, merkt aber, dass sein Michael funktioniert. Genauso wie die Vorfreude des Jugendlichen über die erste Liebe, spiegelt sich später die Entdeckung, ein Monster geliebt zu haben, wie Wetterleuchten in seinem Gesicht wider.

Wenn Kross jetzt auf dem roten Teppich der Berlinale steht, hat er bereits einen weiteren Film im Kasten. In Bucks neuem Werk spielt er wieder die Hauptrolle. Ähnlich wie seine Filmfigur, die nach dem Abitur nach Kambodscha reist, habe er keinen Plan wie es mit ihm weitergeht. Wenn David Kross auf seinem Weg bleibt, geht es für ihn ganz einfach nach oben.

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