Berlinale-Kolumne:Himbeerfarbige Hässlichkeit

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Was tut Berlin für die Unsterblichkeit seiner Stars? Man nehme den Schnee und Split der Potsdamer Straße und werfe darauf einen Flatschen rosa Spritzbeton.

H. Eggebrecht

Wie kommt man zu Denkwürdigkeiten? Wie erinnert man sich nachhaltig? Wie schafft man Events, wenn auf der Jubiläums-Berlinale Stars wie Penélope Cruz schon mal ausbleiben, die Wettbewerbsfilme vielen allzu nachdenklich oder grau vorkommen, und die Schrottstadt an der Spree unter richtigem Frost, dem immer wieder festfrierenden Schmelzeisdreck und den Klagen der Berliner ächzt, es werde einfach "nüscht" geräumt?

Der erste goldene Stern, eingelassen in den Himbeerguss, gilt der Schauspielerin Marlene Dietrich. (Foto: Foto: ddp)

Man erfindet einen "Boulevard der Stars", also einen Walk of Fame, so die Absicht, wie am Hollywood Boulevard in Los Angeles. Wenn aber in Kalifornien Namenssterne in altrosa Terazzo für die Unsterblichen des Kinos und Showbusiness ins Trottoir eingelassen oder auch deren Hand- und Schuhabdrücke rund um Grauman's Chinese Theatre verewigt werden, dann geschieht das selbstverständlich mit dem fälligen glamourösen Aufwand und Nachhall.

In Berlin hat man sich etwas anderes ausgedacht, was dann ungefähr so aussieht: Man nehme den breiten Mittelstreifen auf der Potsdamer Straße, die am Arsenal-Kino und dem Deutschen Filmmuseum vorbeiführt, und werfe dort auf Schnee und Split einfach einen großen Flatschen ab aus einer Art Spritzbeton von erstaunlicher himbeerfarbener Hässlichkeit. Dieses ungefüge Plattenmöbel steift sich an vorderer Seite auf (warum nur?) wie ein Wellenbrecher.

Der erste goldene Stern gilt Marlene Dietrich, eingelassen in den Himbeerguss. Damit nicht genug, schräg gegenüber dem Stern ragt eine Stele mit Sehschlitz empor. Blickt man durch das Sichtfenster, kann man ein Hologramm der Dietrich sehen, gleichsam über dem Stern schwebend.

Die gesamte Installation enthüllten Festivaldirektor und Regierender Bürgermeister feierlich. Andern Tags sind die Spuren von aufspritzendem Pfützwasser und andere Verdreckungen unübersehbar. Das ganze Arrangenent lädt unweigerlich zu - fast begreiflichem - Vandalismus ein. Gegen ganz andere Hässlichkeiten geht der unverwüstliche Rosa von Praunheim vor, dessen Film "New York Memories" im Panorama läuft. Er trägt seit der Berlinale-Eröffnung den gelb-blauen Button am Revers: "Gays against Guido".

© SZ vom 20.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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