Berlinale-Eröffnung:Gala-Sause mit sieben Sorten Eintopf

Berlinale-Eröffnung: Der rote Teppich war voll wie immer, nur an internationalen Stars mangelte es diesmal auffällig. Sie kommen aber wohl noch - eben nur nicht zur Eröffnung der 67. Berlinale.

Der rote Teppich war voll wie immer, nur an internationalen Stars mangelte es diesmal auffällig. Sie kommen aber wohl noch - eben nur nicht zur Eröffnung der 67. Berlinale.

(Foto: AFP)

Selten hat ein Eröffnungsfilm so gut zur Berlinale gepasst wie "Django". Doch in Sachen Glamour könnte es besser laufen.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Obwohl viele Menschen lieber gemütlich zu Hause Serien gucken als noch ins Kino zu gehen: Filmfestivals sind und bleiben ein wichtiges Klassentreffen der Film- und Schauspielzunft. Auf der Berlinale gilt das aber offenbar nur noch für deutsche Stars und Sternchen.

Ob nun wegen Attentat-Angst, Eiseskälte (minus 6 Grad), Berlin-Flaute (auch die Fashion Week hatte in diesem Jahr wieder Designer-Abgänge zu beklagen) oder schlicht Fehlplanung: Die internationale Schauspielelite blieb diesmal dem Ereignis Berlinale eher fern. Zwar werden für die kommenden Tage noch die zauberhafte Penelope Cruz, Frankreichs Grand Dame Catherine Deneuve, der ewig juvenile Robert Pattinson sowie der ehemals "sexiest man alive" Hugh Grant erwartet.

Richard Gere kann über Anke Engelkes Witze kaum lachen

Doch am Eröffnungsabend selbst, eigentlich eine große Gala-Sause rund um den Berlinale-Palast am Potsdamer Platz, kam von den international wirklich großen Stars am Donnerstag Abend eigentlich nur: Richard Gere. Und selbst der muss sich durch den Hintereingang geschlichen haben. Den roten Teppich jedenfalls mied er. Dass er überhaupt da war, merkten die Gäste nur daran, dass er im Publikum zum Eröffnungsfilm gezeigt wurde - wie er sich nicht besonders erheitert zeigte von den Witzen der Moderatorin Anke Engelke über seinen Freund, den Dalai Lama. Stattdessen ließ er sich vorab lieber mit seiner ebenfalls "alten Freundin" Claudia Roth fotografieren und plauderte anschließend noch mit Angela Merkel.

Dabei war Anke Engelke viel lustiger. Der neue US-Präsident Trump hatte Meryl Streep eine total überschätzte Schauspielerin genannt. Engelke nahm das zum Anlass für die ironische Bemerkung, man habe jetzt einen würdigeren Jury-Präsidenten für die Berlinale gefunden als Meryl Streep im vergangenen Jahr : Regisseur Paul Verhoeven ("Basic Instinct", "RoboCop") könne das alles viel besser. Prompt eröffnete der 78-Jährige die Berlinale in seiner Muttersprache Niederländisch.

Claudia Roth trifft US-Schauspieler Richard Gere

Lässt sich lieber mit seiner alten Freundin Claudia Roth fotografieren als auf dem roten Teppich der Berlinale: Hollywoodschauspieler und Frauenschwarm Richard Gere.

(Foto: dpa)

Die Berlinale braucht diese frechen Eröffnungszeremonien durch Spaßbombe Engelke und den ebenfalls immer zu Scherzen und Selbstironie aufgelegten Festivaldirektor Dieter Kosslick dringend, denn: Ansonsten gibt es da nicht so viel zu lachen. Die Berlinale ist das politischste Filmfestival im Reigen der ansonsten sonnenverwöhnten europäischen und auch internationalen Filmfestivals.

Der Eröffnungsfilm könnte nicht besser zur politischen Lage passen

Der sonst so unscheinbar regierende Bürgermeister Michael Müller richtete sich ungewohnt eindringlich in Richtung USA: Es sei an der Zeit, der Welt von Berlin aus ganz deutlich zu zeigen, dass es keinesfalls eine gute Idee sei, Menschen mit Mauern zu trennen.

So ist auch der Eröffnungsfilm diesmal ein politischer. Mit "Django" gibt der französische Filmproduzent Étienne Comar sein Debüt als Regisseur: Der halb blinde Schauspieler Redar Kateb spielt in dem Biopic den genialen Jazzgitarristen Django Reinhardt, der vor den Nazis, die ihn instrumentalisieren wollten, aus Paris floh.

Am Ende rettet alles diese irre Musik

'Django' Premiere - 67th Berlinale International Film Festival

Genialer Flüchtling bekämpft deutsche Nazis: Der Film "Django" eröffnete am Donnerstagabend die Berlinale. Im Bild: die französische Filmcrew.

(Foto: Getty Images)

Es ist bewegend zu sehen, wie Django als Flüchtling mit seiner schwangeren Frau, seiner alten Mutter, einem Äffchen und unterstützt von seinen Gipsy-Freunden sowie einer rätselhaften Résistance-Kämpferin (atemberaubend: Cécile de France) durch die schneebedeckten Schweizer Alpen irrt. Der Film zeigt eindringlich, wie weltpolitischer und psychischer Druck aus einem Menschen ein Wrack macht. Und wie der Musiker es nur in diesem speziellen Einzelfall, mit sehr viel Glück, innerem Widerstand und der unverwüstlichen Hilfe einflussreicher Freunde schafft, seine Familie und zumindest halbwegs seinen Stolz zu retten. Bei dieser Botschaft sei dem Film auch seine allzu romantisierende Folklore verziehen. Am Ende rettet sowieso alles diese irre Musik.

Leider kann man das vom Berlinale-Empfang selbst nicht gerade behaupten: Getanzt wurde diesmal kaum, vom Keller bis zum Dach des Berlinale-Palastes gab es sieben verschiedene Sorten Eintopf (das passt zum Winter und zu Berlin, aber nicht zur Berlinale) von fünf Sterneköchen. Neben den neuen Frisuren von Berlins typischstem Star Heike Makatsch (kurz und wild) sowie der deutschen Oscar-Hoffnung Sandra Hüller (fast schon so kurz wie Audrey Hepburn) gibt es ansonsten wenig Bahnbrechendes zu berichten. Außer der Erkenntnis, dass viele Gäste an diesem Abend lieber über Politik als über das lustige Silber-Outfit von Veronica Ferres geredet haben. Was man auch mal als gute Nachricht auffassen kann.

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